Eishockey

Zitiervorschlag: Thomas Brumann, Eishockey, in: Anne Mirjam Schneuwly/Yael Nadja Strub/Mirjam Koller Trunz (Hrsg.), Sportverbandskommentar, https://sportverbandskommentar.ch/eishockey, 1. Aufl. (publiziert am 6. November 2023)

Kurzzitat: Brumann, Rz. xx.


Literatur

Beck Peter/Wendelspiess Rolf, Sportunfälle HAVE 2020, S. 177–179; Cortada Emanuel, Court of Arbitration for Sport (CAS), in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Derungs Vitus, Klub- und verbandsinternes Sanktionswesen, Sportrecht – Band I, Zürich 2013, S. 289–316; Donatsch Andreas, Zur strafrechtlichen Beurteilung des Foulspiels beim Eishockey, forumpoenale 3/2008, S. 178–180; Fargnoli Iole/Lapadula Maria, Immunität im Sportrecht?, SJZ 118/2022, S. 323–336; Haas Ulrich, Sportsverbandsstruktur, in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Heermann Peter W., Fussball-Bundesliga und U.S.-amerikanische Major Leagues – Ein Vergleich aus kartellrechtlicher Perspektive, CaS 2017, S. 191–207; Humbel Claude/Schneuwly Anne Mirjam, Gesellschaftsformen im Sportorganisationsrecht, in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Kaiser Martin, Aspekte der (Inter-)Nationalität des Sports, in: Kleiner Jan/Baddeley Margareta/Arter Olivier (Hrsg.), Sportrecht – Band I, Bern 2013 (zit. Aspekte der (Inter-)Nationalität des Sports); derselbe, Sportrecht: Vom (Spannungs-)Verhältnis von Sport und Recht, AJP 2011 S. 192–206 (zit. Spannungsverhältnis Sport und Recht); Köglowitz Andreas, Handbuch Eishockey: Geschichte, Ausrüstung und Regeln, Diedorf 2014; Müller Rahel, Arbitration, in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Pachmann Thilo, Struktur und Governance des nationalen und internationalen Sportverbandswesens, in: Kleiner, Jan/Baddeley Margareta/Arter, Olivier (Hrsg.) Sportrecht – Band I, Bern 2013, S. 19–36; Roth Andreas/Berkemeier Anne, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 1–30 der Vorbemerkung zu Art. 122 StGB S. 2621–2630; Schade Roman, Gesellschaftsform, Good Governance und Regulierung für internationale Sportdachverbände, CaS Nr. 22 2020, S. 101–128; Scherrer Dorothe, Strafrechtliche Sanktionen nach Sportverletzungen, Causa Sport 2006, S. 31 ff.; Scherrer Urs/Muresan Remus/Ludwig Kai, Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Auflage, Zürich 2014, S. 307–443; Thaler Daniel, Rechtsprechungsübersicht zum nationalen Sportrecht Leading Cases 2006-2008, Causa Sport 2008, S. 452 ff.

I. Allgemeines über den Sport

A. International

[1]

Die Entstehung der Sportart Eishockey lässt sich nicht mehr exakt rekonstruieren, als Mutterland des Eishockeys gilt aber gemeinhin Kanada. Während der britischen Herrschaft in Kanada Mitte des 18. Jahrhunderts brachten die Briten die ihnen bekannten Spiele hurling und shinty (auch shinney genannt) mit. Studenten entwickelten das Shinney entscheidend in Richtung Eishockey weiter, indem sie zum ersten Mal Torhüter, Schiedsrichter und Trikots einsetzten, ein festes Regelwerk ausarbeiteten und den ersten Eishockey-Club der Welt gründeten. Gemäss Überlieferung hüpfte der damals verwendete Gummiball aber immer über die Abgrenzung, weshalb William Fleet Robertson den oberen und unteren Teil abschnitt, was als Geburtsstunde des Pucks gilt. Das erste Eishockeyspiel hat am 3. März 1875 im Victoria Skating Rink in Montréal vor nahezu 500 Zuschauern stattgefunden (vgl. Köglowitz, S. 4 ff.).

[2]

Nur wenige Jahre nach dem ersten Eishockeyspiel wurden bereits die ersten Eishockeyverbände gegründet: Als Erster im November 1890 die Ontario Hockey Association. Im Jahre 1909 kamen die Pacific Coast Hockey Association und die Canadian Amateur Hockey Association hinzu.

[3]

Aus internationaler Sicht bedeutend war die Gründung der Ligue Internationale de Hockey sur Glace (LIHG) im Jahr 1908, aus welcher später die Internationale Eishockey-Föderation IIHF hervorging (vgl. Köglowitz, S. 4 ff.).

B. National

[4]

In der Schweiz wurde im Jahr 1904 der Eishockeyverband der Romandie (Ligue de Hockey sur Glace de la Suisse Romandie) gegründet. Nur vier Jahre später folgte die Gründung des Nachfolgeverbandes, des Schweizerischen Eishockeyverbandes (SEHV). Im gleichen Jahr trat der SEHV der International Ice Hockey Federation (IIHF) und 1926 auch Swiss Olympic als Mitglied bei. Im Jahr 2011 haben die dazumal eigenständigen Bereiche Regio League, National League und Swiss Ice Hockey Association fusioniert und sich zur heutigen Swiss Ice Hockey Federation (SIHF), der Dachorganisation des Schweizer Eishockeys, zusammengeschlossen.

II. Organisation des Verbandes

A. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Aspekte

1. Der Verein nach Art. 60 ff. ZGB

[5]

Als Gesellschaftsform für die Organisation des Hockeysports in der Schweiz steht der Verein nach Art. 60 ff. ZGB im Vordergrund. Dies deshalb, da die im schweizerischen Zivilgesetzbuch normierte Rechtsform viele Vorteile wie bspw. die grosse Verbands- resp. Vereinsautonomie mit sich bringt (Humbel/Schneuwly, Rz. 27 f.). Diese Autonomie ermöglicht es ihnen bspw. Spielregeln oder sonstige Regelwerke zu erlassen und Sanktionen für Regelverstösse vorzusehen (Pachmann, S. 26 f.; Scherrer/Muresan/Ludwig, S. 316; Kaiser, Spannungsverhältnis Sport und Recht, S. 194; Humbel/Schneuwly, Rz. 24 f.).

2. Die Organisation von Dachverbänden

[6]

Die zahlreichen Eishockey-Vereine im internationalen und im nationalen Kontext sind pyramidenförmig und unter der Schirmherrschaft von Dachverbänden organisiert (siehe hierzu die Beiträge von Haas sowie von Humbel/Schneuwly). Es gibt dabei regionale, nationale und internationale Eishockey-Dachverbände. An der Spitze dieser Eishockeyverbands-Pyramide befindet sich die IIHF, deren Aufgabe es ist, einheitliche Regeln festzulegen. Auf dieser obersten Stufe werden auch die internationalen Wettkämpfe reguliert, koordiniert und organisiert (Pachmann, S. 24 f.; Derungs, S. 291 f.; Art. 4 IIHF Statues and Bylaws). Die IIHF ist als Verein i.S. von Art. 60 ff. ZGB ausgestaltet und hat ihren Sitz in der Schweiz (Zürich; Art. 2 IIHF Statues and Bylaws).

[7]

Unterhalb der IIHF stehen wiederum die nationalen Verbände, dessen Mitglieder sich aus den jeweiligen nationalen Clubs zusammensetzen. In der Schweiz ist dies der nationale Verband SIHF.

[8]

International betrachtet ist die National Hockey League (NHL), an welcher Teams aus den USA und Kanada teilnehmen, die bekannteste, wichtigste und beste Liga der Welt. Die gesellschaftsrechtliche Organisation der grossen Sportligen ist in den USA etwas anders als in der Schweiz. Beispielsweise herrscht in dieser Struktur eine strikte Trennung zwischen dem Profisport und dem Amateursport. Im Profisport in den USA und in Kanada ist die Organisation nicht hierarchisch vertikal, sondern horizontal aufgegleist (Heermann, S. 195). Die NHL selbst ist als non-for-profit unincorporated assosciation organisiert (vgl. Präambel des Bargaining Agreement zwischen der NHL und der NHLPA). Die einzelnen Clubs der Liga sind wiederum unabhängige, gewinnorientierte Gesellschaften, die als Franchises bezeichnet werden. Sie werden selbst von Privatpersonen oder Unternehmen beherrscht. Die Franchises sind zudem Gesellschafter der non-profit Gesellschaft, sodass zwischen den Liga-Mitgliedern und der non-profit Gesellschaft ein Joint-Venture besteht (Schade, S. 127). Daneben gibt es zudem die National Hockey League Players Association (NHLPA). Die 1967 gegründete NHLPA vertritt die Interessen der ungefähr 750 Spieler der NHL. Die Hauptaufgabe der Vereinigung besteht darin, als Tarifpartei im Namen der Spieler zu handeln, aber sie unterstützt und verwaltet auch Bereiche wie Marketing, Lizenzierung, Renten, Versicherungen und Kommunikation.

[9]

Die NHL hat aktuell insgesamt 32 Franchises. Diese Teams werden aufgeteilt in sechs regionale Gruppen (Western Conference: Central Division, Northwest Division, Pacific Divison und Eastern Conference: Atlantic Division, Northeast Division, Southeast Division). Anders als in den meisten europäischen Ligen, ist die NHL in sich geschlossen. Über die Aufnahme neuer Teams, müssen alle Franchises zusammen beschliessen. Wenn dies erfolgt ist, dann ist ein Abstieg beispielsweise nicht mehr möglich (Schade, S. 127).

3. Bindung an die Verbandsregelungen

[10]

Damit Eishockey auf internationaler Ebene ausgeübt werden kann, bedarf es einer Vereinheitlichung der Spielregeln und Abläufe in den verschiedenen Ländern. Dies führt wiederum dazu, dass ein nationaler Verband eine Struktur haben muss, welche mit den internationalen Regelungen konform ist. Somit sind die nationalen Verbände dazu verpflichtet, die Vorgaben des übergeordneten Verbandes zu übernehmen und umzusetzen. Um zu gewährleisten, dass dies auf verschiedenen Ebenen der pyramidalen Struktur funktioniert, bedarf es eines Verweises auf die Regelung der übergeordneten Stufe (siehe hierzu den Beitrag von Haas). Bezogen auf die Schweiz findet sich in Art. 3 Abs. 2 der SIHF-Statuten ein entsprechender Verweis, dass für die SIHF und ihre Mitglieder die jeweils gültigen Statuten, Reglemente und Spielregeln der IIHF massgebend sind.

[11]

Allerdings sollen dynamische Verweise in Vereinssatzungen auf die Regeln des übergeordneten Vereins gemäss mindestens einer Lehrmeinung unzulässig sein, da sie so dem Verein die gesetzlich verankerte und für den Verein zentrale Autonomie verwehren (Vitus, Klub- und verbandsinternes Sanktionswesen, S. 294). Diese Ansicht wurde (wohl zu Recht) kritisiert, da die Möglichkeit einer solchen Kontrolle für das Funktionieren einer Sportart im internationalen Kontext notwendig ist (Kaiser, Aspekte der (Inter-)Nationalität des Sports, S. 46 ff.; Kaiser, Spannungsverhältnis Sport und Recht, S. 200 ff.).

B. Die Swiss Ice Hockey Federation

1. Allgemeines

[12]

An der Spitze des Hockeysports in der Schweiz steht die SIHF, welche als Verein nach den Art. 60 ff. ZGB organisiert ist. Ihr Ziel ist es, den Hockeysport in der Schweiz sowohl an der Spitze als auch in der Breite zu fördern und weiterzuentwickeln. Zu den weiteren Aufgaben der SIHF zählen zudem die Organisation, die Gestaltung und die Durchführung des Spielbetriebes.

[13]

Die SIHF als Verein ist selbst Mitglied der International Ice Hockey Federation (IIHF) sowie der Swiss Olympic Association (Swiss Olympic). Es sind den Statuten nach aber auch andere Mitgliedschaften möglich, sofern sie einen Zusammenhang mit dem Hockeysport aufweisen (Art. 3 Ziff. 1 SIHF-Statuten).

2. Mitglieder des SIHF

a. Clubs und kantonale/regionale Verbände
[14]

Mitglieder bei der SIHF können alle «Clubs» sein. Dabei ist gemäss Statuten nicht entscheidend, welche Rechtsform diese aufweisen. Sie können – gleich wie die SIHF – als Vereine ausgestaltet oder bspw. auch als Aktiengesellschaft organsiert sein. Zusätzlich müssen die Clubs eine Spielberechtigung haben (Art. 10 Ziff. 1 SIHF-Statuten).

[15]

Für den Bereich des Leistungssports (National League und Swiss League) gibt es diesbezüglich aber ein weiterführendes Reglement in Bezug auf die Spielberechtigung – das heisst als Voraussetzung zur Teilnahme am Spielbetrieb (siehe Reglement Spielberechtigung). Dieses Reglement wird von den Clubs an den entsprechenden Ligaversammlungen bestimmt und formell verabschiedet.

[16]

Artikel 5 des Reglements Spielberechtigung schreibt u.a. vor, dass ein Club in Abweichung zu den Statuten zwingend als Aktiengesellschaft konstituiert sein muss. Regionale und kantonale Eishockeyverbände sowie sog. «Plauschligen/Wilde Ligen» kommen ebenfalls als Mitglieder in Frage, was sie aber in aller Regeln nicht sind. Die Mitglieder der einzelnen Clubs gelten ihrerseits als indirekte Mitglieder der SIHF.

[17]

Bei den kantonalen und regionalen Eishockeyverbänden muss es sich um juristische Personen handeln, wenn sie Mitglied bei der SIHF sein wollen. Sie haben das Ziel bzw. den Zweck, den Eishockeysport im Nachwuchsbereich zu fördern, sich für Subventionsbewilligungen einzusetzen und die Clubs in anderen Angelegenheiten, welche mit dem Eishockey zusammenhängen, zu unterstützen. Mitglieder der kantonalen und regionalen Eishockeyverbände können auch Clubs als Mitglieder haben, die der SIHF noch nicht beigetreten sind. Diese Clubs müssen allerdings der SIHF innerhalb zwei Jahren auch beitreten (Art. 11 Ziff. 1-3 SIHF-Statuten).

b. National League AG, Swiss League Aktiengesellschaft
[18]

Ein weiteres Mitglied der SIHF ist die National League AG. Sie ist dafür zuständig, den Eishockeysport auf höchster Stufe zu fördern. Konkret geht es um den professionellen Hockeysport. Die National League AG ist insbesondere dafür zuständig, den Spielbetrieb zu organisieren, zu gestalten und durchzuführen. Das Verhältnis zwischen der SHIF und der National League AG wird im Rahmen der Statuten in einem separaten Kooperationsvertrag geregelt (Art. 12 SIHF-Statuten).

[19]

Die Swiss League AG ist ebenfalls ein Mitglied der SIHF. Sie hat das Ziel, die Vermarktung der Swiss League, d.h. der zweithöchsten Liga in der Schweiz, durchzuführen (Art. 12bis SIHF-Statuten).

[20]

Beide Mitglieder der SIHF handeln im Rahmen ihrer Statuten autonom. Die Statuten dürfen allerdings keine Normen enthalten, welche gegen die Vorschriften der SIHF verstossen.

3. Die Organisation der SIHF

[21]

Die SIHF verfügt gemäss Art. 18 SIHF-Statuten über folgende Organisationsebenen:

A Zentrale Organe:

A.1 die Generalversammlung (GV)

A.2 der Verwaltungsrat (GL)

A.3 die Revisionsstelle

B Übrige Organe mit Entscheidkompetenz

B.1 Leistungssport Versammlungen

B.1.1 National League/Swiss League-Ligaversammlung

B.1.2 Swiss League-Ligaversammlung

B.2 Übergeordnete Versammlungen / Gremien NAFS

B.2.1 Delegiertenversammlung NAFS (DLV)

B.2.2 Koordinations-Gremium NAFS (KG)

B.3 Nachwuchs-, Amateur-, und Frauensport Versammlungen

B.3.1 Nachwuchsligaversammlungen

B.3.2 Amateurligaversammlungen

B.3.3 Frauenligaversammlungen

B.4 Regionale Versammlungen / Gremien

B.4.1 Regionalversammlungen (RV)

B.4.2 Regional Gremium (RG)

B.4.3 Kantonale und regionale Eishockeyverbände

C Committees

C.1 Audit- and Compensation Committee (ACC)

C.2 Operative Committees

[22]

Die SIHF-Statuten regeln sodann in den Art. 19 bis 104 detailliert zentrale Themen wie bspw. die Zusammensetzung der vorangehend aufgeführten Organe, deren Aufgaben und Befugnisse, Stimmrechte, Beschlussfassung sowie Auskunft und Einsicht.

III. Regelungen für den Hobbysport

A. Allgemeines

[23]

Betreffend den Hobbysport gilt es einerseits zu unterscheiden zwischen den Clubs, die in den Amateurligen des vom schweizerischen Eishockeyverbands organisierten Spielbetriebs teilnehmen (namentlich der MyHockey-League sowie der 1. bis 4. Liga, vgl. Art. 73 SIHF-Statuten) und andererseits den zahlreichen Hobbymannschaften, welche ihrerseits nicht Mitglieder der SIHF und somit auch nicht an dessen Spielbetrieb angeschlossen sind.

B. Amateurligen der SIHF

1. MyHockey League

[24]

Die MyHockey League ist nach der National League und der Swiss League die dritthöchste Eishockey-Liga in der Schweiz und damit die höchste Amateurliga. Gegenwärtig spielen 12 Mannschaften in der MyHockey-League.

[25]

Gespielt wird grundsätzlich nach den offiziellen Regeln der IIHF. Zu beachten sind sodann aber die gestützt auf Art. 76 SIHF-Statuten von der MyHockey-League Versammlung erlassenen spezifischen Reglemente und Weisungen. Namentlich das «Reglement Spielberechtigung MHL», welches die Lizenzerteilung und -erhaltung sowie die Zulassungsbedingungen für Clubs der MyHockey League zum Gegenstand hat, sowie die «Weisungen MHL» mit spezifischen Regelungen rund um den Spielmodus.

2. 1. bis 4. Liga

[26]

Ähnlich wie bei der MyHockey League haben die 1.-Liga-Versammlung sowie die regionalen 2./3./4.-Liga-Versammlungen gewisse Kompetenzen in Bezug auf den Spielmodus und das Spielformat sowie beim Treffen von ligaspezifischen Entscheidungen.

[27]

Im Übrigen wird auch in der 1. bis 4. Liga nach den offiziellen Regeln des IIHF gespielt. Dabei ist die 1. Liga aufgeteilt in eine Gruppe Ost und eine Gruppe West mit je 12 Clubs. Demgegenüber gibt es in der zweiten bis vierten Liga je drei regionale Gruppen (Ostschweiz, Zentralschweiz, Westschweiz) mit unterschiedlicher Anzahl Clubs pro Gruppe.

C. Fraueneishockey

[28]

Das Fraueneishockey wird in der Schweiz immer populärer und wird sowohl von Breiten- als auch Leistungssportlerinnen ausgeübt. Wie bei den Männern gibt es auch beim Fraueneishockey Ligen, welche dem Amateursport angehören und im Rahmen ihrer Ligaversammlungen über eine gewisse Autonomie verfügen, um bspw. den Spielmodus und das Spielformat zu bestimmen. Gespielt wird grundsätzlich nach den jeweils gültigen Regeln des IIHF, auf Antrag des Officiating-Committee (OffCom) ist die Delegiertenversammlung NAFS aber ermächtigt, über Abänderungen dieser Regeln im Rahmen des Verbandes zu beschliessen (vgl. Art. 2 Reglement für den Spielbetrieb im Nachwuchs-, Amateur- und Frauensport 2023/2024). Von dieser Kompetenz wurde insofern Gebrauch gemacht, dass in der Schweiz, in Abweichung zum Männer-Eishockey, das Checken der Gegenspielerin verboten ist und die Frauen zudem einen vollständigen Gesichtsschutz («Vollgitter») tragen müssen. Es gibt zudem in den unteren Ligen weitere kleinere Regelabweichung, die aber von untergeordneter Bedeutung sind.

[29]

Bezogen auf die Schweiz haben in jüngster Vergangenheit die grossen Clubs wie u.a. Davos, Zug, Zürich, Bern und Fribourg damit begonnen, eigene Frauen-Teams zu gründen, ihnen professionelle Strukturen zu geben und diese aktiv zu fördern. In der höchsten Liga, der Postfinance Womens League, spielen aktuell acht Teams. Daneben existieren die Swiss Woman’s Hockey League B, C und D (SWHL B, C und D).

[30]

In Nordamerika ist man zudem noch einen Schritt weiter. Am 29. August 2023 wurde mit der Professional Women's Hockey League (PWHL) die erste Frauen-Profiliga gegründet. Insgesamt sechs Teams werden ab Januar 2024 die erste Profi-Saison absolvieren.

D. «Wilde Ligen»

[31]

Nebst den Clubs aus den Amateurligen, welche Mitglieder der SIHF sind und am offiziellen Meisterschaftsbetrieb teilnehmen, gibt es hierzulande unzählige Plausch-Eishockeyclubs, welche entweder im Rahmen einer autonom organisierten und oft als «wilde Liga» bezeichneten Meisterschaft teilnehmen oder ganz ohne feste Ligazugehörigkeit nur Trainings und selbstorganisierte Freundschaftsspiele durchführen.

[32]

Alleine im Kanton Bern gibt es mit dem «Bärner Cup», der «Berner Oberland Meisterschaft», der «Emmentaler Eishockey Meisterschaft» oder der «Lakeland Hockey League» mindestens deren vier unabhängige Plausch-Eishockey-Ligen.

[33]

Diese Ligen sind − zumindest teilweise − auf einem sehr hohen Niveau organisiert und erfreuen sich anhaltend grosser Beliebtheit. Alleine im «Bärner Cup» spielen inzwischen verteilt auf fünf Stärkegruppen 36 verschiedene Clubs. Gespielt wird inklusive Play-Offs sowie Auf- und Abstiegsspielen. Der «Bärner Cup» hat sich als Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB konstituiert, die Liga-Versammlung hat ein Reglement inklusive Bussenkatalog erlassen und am Spielbetrieb teilnehmen können nur durch den Vorstand lizenzierte Spieler*innen.

[34]

Soweit ersichtlich spielen die Clubs in allen wilden Ligen nach den offiziellen Regeln der IIHF, verboten ist jedoch in den meisten Ligen das Checken (so bspw. im «Bärner Cup»). Dies senkt auf Amateurniveau das Verletzungsrisiko erheblich, wobei Körperkontakte im Eishockey natürlich nie ganz ausgeschlossen werden können.

[35]

Da bei Swiss Olympic die nationalen Sportverbände nach Massgabe ihres Mitgliederbestandes weitere Stimmrechte erhalten (Art. 4.3 der Swiss Olympic Statuten), schwächt die Autonomie der wilden Ligen das Gewicht des Schweizer Eishockey innerhalb von Swiss Olympic und es würde von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet Sinn ergeben, wenn sich die wilden Ligen resp. deren Clubs dem SIHF anschliessen würden.

IV. Verbandsinterne Rechtspflege

A. Grundlage des Rechtspflegereglements

[36]

Die Generalversammlung der SIHF erlässt ein Rechtspflegereglement, in welchem die Anforderungen an die Unabhängigkeit bzw. Wählbarkeit der Mitglieder der Rechtspflegeorgane, die Organisation der Rechtspflege, die Zuständigkeiten der Rechtspflegeorgane und das Verfahren vor denselben, die Disziplinartatbestände und ihre Rechtsfolgen sowie sämtliche anderen regelungsbedürftigen Punkte im Zusammenhang mit der SIHF-internen Rechtspflege ausführlich geregelt werden.

[37]

Die SIHF bestimmt sodann in ihren Statuten eine Vielzahl an Rechtspflegeorganen. So auch unter anderem das Verbandssportsgericht, Einzelrichter für verschiedene Streitigkeiten sowie den Player Safety Officer (Art. 106 der SIHF-Statuten).

[38]

Sämtliche Entscheide der verschiedenen Rechtspflegeorgane, die nicht mehr vor einem anderen Rechtspflegeorgan der SIHF anfechtbar sind, können gemäss den Statuten ausschliesslich vor dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne angefochten werden (vgl. zum Ganzen Cortada). Davon ausgenommen sind zum einen Entscheide der Rechtspflegeorgane der SIHF in arbeitsrechtlichen Fällen, in welchen die staatlichen Gerichte zuständig sind (Art. 118 der SIHF-Statuten), und zum anderen die zwingende Zuständigkeit staatlicher Gerichte, was insbesondere für strafrechtlich relevante Sachverhalte von Relevanz ist.

B. Das Rechtspflegereglement im Besonderen

[39]

Die Bestimmungen des Rechtspflegereglements finden Anwendung auf alle Rechtspflegeverfahren vor den Rechtspflegeorganen der SIHF (Art. 1 Rechtspflegereglement). Ergänzend sollen in verfahrensmässiger Hinsicht die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung Anwendung finden, soweit dem Rechtspflegereglement keine Vorschrift entnommen werden kann (Art. 3 Rechtspflegereglement).

[40]

Primäres Ziel ist es, dass sich das Eishockey durch eine professionelle und vertrauenswürdige Verbandsgerichtsbarkeit selbst reguliert. Nichtsdestotrotz gibt es Sachverhalte, welche zwingend durch die staatlichen Gerichte zu beurteilen sind, was auch im Rahmen des Rechtspflegereglements so vorgesehenen ist: «Vorbehalten bleiben sodann arbeitsvertragsrechtliche Massnahmen gegenüber Mitarbeitenden der SIHF sowie die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche und die Einreichung einer Strafanzeige bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen» (Art. 80 Abs. 3 Rechtspflegereglement).

V. Spezifische Fragestellungen: Verletzungen im Eishockey aus zivil- und strafrechtlicher Sicht

A. Ausgangslage

[41]

Eishockey ist eine risikoreiche, äusserst schnelle Kontaktsportart, mit welcher häufig auch Verletzungen einhergehen. Dies wirft die Frage auf, ob und wenn ja, wie solche Verletzungen nebst oder anstelle der Rechtspflegeorgane der SHIF auch durch staatliche Gerichte straf- und/oder zivilrechtlich zu bewerten sind.

[42]

Dabei ist klar, dass nicht jede Verletzung im Hockeysport straf- und/oder zivilrechtlich relevant sein kann, zumal Verletzungen im Eishockey im normalen Spielgeschehen und auch bei Einhaltung der Spielregeln erfolgen können. Andererseits kann die reine Tatsache, dass eine risikoreiche Sportart ausgeübt wird, die straf- und/oder zivilrechtliche Verantwortung nicht gänzlich aushebeln, da Spieler*innen geschützt werden müssen und auch das Eishockeyfeld kein rechtsfreier Raum darstellt (vgl. Scherrer, S. 31 ff.).

[43]

Generell liegt die Herausforderung bei der Beurteilung, ob ein straf- und/oder zivilrechtlich relevantes Foul vorliegt darin, dass Eishockey als einer der schnellsten Mannschaftssportarten der Welt gilt und das «Checken» des Gegenspielers unter gewissen Voraussetzungen erlaubt ist (bei den Frauen ist das Checken zumindest in der Schweiz wie erwähnt verboten). Wer selbst Eishockey spielt weiss deshalb, dass Entscheidungen über Laufwege oder das Ansetzen eines erlaubten Checks innert Sekundenbruchteilen gefällt werden müssen. Je nachdem wie sich der Gegenspieler kurz vor dem Zusammenprall verhält, kann die Situation für den checkenden Spieler komplett ändern. Zu denken ist hier bspw. an einen Spieler, welche kurz vor dem Zusammenprall den Oberkörper senkt und in der Folge vom mit hohem Tempo anfahrenden Gegenspieler voll am Kopf getroffen wird. Im Spiel selbst kann resp. muss dies die Schiedsrichter*in in aller Regel als Check gegen den Kopf gemäss Rule 124 des IIHF OFFICIAL RULE BOOK bewerten und eine entsprechende Strafe verhängen. Die Frage, ob sich in einer solchen Situation der checkende Spieler auch strafbar macht, ist nicht leichthin zu beantworten und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

1. Strafrechtliche Einschätzung

[44]

Bei Sportverletzungen stehen primär die Körperverletzungsdelikte von Art. 122 ff. StGB im Vordergrund. In vielen Fällen handelt es sich «nur» um Antragsdelikte (Tätlichkeiten nach Art. 126 StGB oder die einfache Körperverletzung nach Art. 123 StGB). Dies dürfte auch einer der Hauptgründe sein, weshalb Strafverfahren im Eishockey oder auch generell im Sport nicht oft vorkommen: Anzeigen der Opfer sind eher selten (Scherrer, S. 33 ff.).

[45]

Beim Eintritt einer Verletzung dürfte die Erfüllung des objektiven Tatbestands in aller Regel keine grösseren Schwierigkeiten bieten. Probleme ergeben sich vor allem aber auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes, wenn es darum geht, zwischen Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz zu unterscheiden. Diesbezüglich gilt es zu beachten, dass die schwere und die einfache Körperverletzung auch bei fahrlässiger Begehung strafbar sind, eine Tätlichkeit ist hingegen nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar.

[46]

Weiter stellt sich die Frage, inwiefern Eishockeyspieler*innen in gewisse Verletzungen konkludent einwilligen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Sportler*innen, welche an einem Wettkampf teilnehmen, mindestens konkludent in mögliche schädigende Handlungen einwilligen, die bei der Ausführung jener Sportart natur- und erfahrungsgemäss auch bei der Einhaltung der Spielregeln verursacht werden können. Von der Einwilligung mitumfasst sind auch geringfügige Regelverstösse, wie sie in der «Hitze des Gefechtes» regelmässig vorkommen können (Scherrer, S. 33 ff. m.w.H.). Demgegenüber kann man in schwere Körperverletzungen nur bei Vorliegen eines sittlichen oder ethischen Zwecks einwilligen (Roth/Berkemeier, Rn. 21).

[47]

In rechtlicher Hinsicht führt somit nicht jede Eingehung eines Risikos zu einem strafrechtlich relevanten Verhalten, solange dieses Risiko im Rahmen des sozial gebilligten liegt (Scherrer, S. 34; Fargnoli/Lapadula, S. 326 f.). Verletzt sich bspw. ein Spieler aufgrund eines korrekt und regelkonform ausgeführten Checks schwer, ist diese Verletzung grundsätzlich sozial gebilligt und kann keine strafrechtlichen Sanktionen zur Folge haben. Ganz anders sieht es aus, wenn die Verletzung des Gegenspielers aufgrund einer Regelverletzung wie bspw. einem Check gegen den Kopf hervorgerufen wird. In vielen Sportarten – insbesondere Sportarten mit Körperkontakt – wird ein gewisses Verletzungsrisiko hingenommen, solange ein regelkonformes oder leicht von den Regeln abweichendes Verhalten vorliegt. Diejenigen Sportregeln des Verbandes, welche dem Schutz der Spieler*innen dienen, gelten somit als Massstab für die geschuldete Sorgfaltspflicht der «Täter*in» und für das vom «Opfer» hinzunehmende Verletzungsrisiko.

[48]

Neben den Sportregeln ist auch der allgemeine Grundsatz des neminem laedere also des «niemanden verletzen» zu beachten (Roth/Berkemeier, Rn. 23; Scherrer, S. 36; Beck/Wendelspiess, S. 177 f.; Fargnoli/Lapadula, S. 326; Beck/Wendelspiess, S. 178). Die Einwilligung umfasst somit nur das typische Risiko der jeweiligen Sportart. Grobfahrlässige oder gar absichtliche Missachtungen der Spielregeln sind von der konkludenten Einwilligung nicht umfasst.

[49]

Das Bundesgericht hat in einem der wenigen höchstrichterlichen Entscheide im Fall Kevin Miller gegen Andrew McKim (BGE 134 IV 26; siehe unten) in Übereinstimmung mit der ersten Instanz festgehalten, dass sich ein Eishockeyspieler auf dem Eis immer so bewegen muss, dass er auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls noch bremsen oder seinem Gegenspieler ausweichen kann (BGE 134 IV 26, E. 3.3.3). Wenn ein Spieler eine hochgradig riskante Aktion durchführt, darf er nicht auf das Ausbleiben von Verletzungsfolgen vertrauen (Thaler, S. 458; Fargnoli/Lapadula, S. 325; Donatsch, S. 179 f.; BGE 134 IV 26, E. 3.3.3).

[50]

Im Ergebnis überzeugt das Urteil des Bundesgerichts im Fall Miller gegen McKim voll und ganz. Betreffend der Einschätzung, dass sich Eishockeyspieler*innen auf dem Eis immer so bewegen müssen, dass sie auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls bremsen oder ausweichen können, gilt es aber Vorbehalte anzubringen. Nochmals sei daran zu erinnern, dass es sich beim Eishockey − wie einleitend festgehalten − um eine der schnellsten Mannschaftssportarten handelt und hierbei das Checken grundsätzlich erlaubt ist. Wenn man sich als Spieler*in in jeder Situation ausnahmslos so verhalten muss, dass man noch auf gefährliche Situationen reagieren kann, dann müsste man das Checken aber generell verbieten. Es ist im Spielverlauf bei hohem Tempo nicht immer möglich, sein Verhalten auf jede sich plötzlich verändernde Situation noch anzupassen.

[51]

Aufgrund des Gesagten ist es sicherlich ein richtiger Ansatz, wenn geringfügige Vergehen ohne schwere Verletzungsfolgen im Eishockey primär durch die Fachgerichte der SIHF und nicht durch staatliche Gerichte beurteilt werden. In Bezug auf die verbandsinterne Sanktionierung wäre es aber wünschenswert, wenn Fälle von krassen und gefährlichen Regelverstössen wie bspw. Checks von hinten oder gegen den Kopf durch die zuständigen Verbandsorgane härter geahndet und bestraft werden würden, namentlich in Form von deutlich höheren Bussen und/oder längeren Spielsperren. Beispielsweise hat im Spiel EV Zug gegen die Rapperswil-Jona Lakers vom 19. September 2023 Petr Cajka seinen Gegenspieler Dario Allenspach heftig von hinten in den Rücken gecheckt, worauf dieser kopfvoran in die Bande stürzte. Hierfür sind eine Busse in der Höhe von CHF 1’820 (inkl. Verfahrenskosten) sowie zwei Spielsperren ausgesprochen worden, was nach der hier vertretenen Meinung bei der Art des Regelverstosses und der damit einhergehenden Verletzungsgefahr (Check von hinten und Bandencheck) zu wenig ist (vgl. Entscheid Einzelrichter vom 21. September 2023). Zum Vergleich: Julius Honka vom SC Bern und Aleksi Saarela von den SC Tigers wurden am 29. September 2023 für das Vortäuschen eines Fouls («Schwalbe») zu einer Busse von je CHF 2’000 verurteilt (Entscheid im Tarifverfahren Nr. 7.24082 und Entscheid im Tarifverfahren Nr. 7.24081). Somit wird in Bezug auf die Busse (mithin nicht die Spielsperren) das Vortäuschen eines Fouls (welches selbstredend auch nicht redlich ist, aber immerhin niemanden gefährdet) mit einer höheren Busse bestraft, als das Checken eines Gegenspielers von hinten in die Bande.

[52]

Letztlich sollte bei der Festlegung der Sanktion für gefährliche Regelverstösse (egal ob mit oder ohne Verletzungsfolgen) auch dem Einkommen des sich nicht regelkonform verhaltenden Spielers Rechnung getragen werden, so wie dies im Strafrecht bei der Bemessung von Geldstrafen auch zur Anwendung kommt. Gerade bei Spielern im oberen Einkommensbereich mit Jahressalären von mehreren hunderttausend Franken, dürften Bussen von wenigen tausend Franken kaum abschreckende und damit präventive Wirkung haben. Ein weiterer Ansatz könnte sein, bei der Festsetzung der Sanktion auch die Folgen des Regelverstosses miteinzubeziehen, namentlich die Schwere der beim Gegner verursachten Verletzung und die voraussichtliche Dauer seines verletzungsbedingten Ausfalls.

2. Zivilrechtliches

[53]

Nebst Vorliegen einer strafbaren Handlung kann ein Regelverstoss sodann auch zivilrechtliche Haftungsfolgen für den fehlbaren Spieler oder die fehlbare Spielerin haben. Als Rechtsgrundlage hierfür dient Art. 41 OR (Haftung für unerlaubte Handlung). Zu beachten ist, dass eine zivilrechtliche Forderung auch bereits bei Fahrlässigkeit entstehen kann. Sind die Voraussetzungen von Art. 41 OR erfüllt, kann dies zu einem Anspruch auf Schadenersatz und/oder Genugtuung führen und dies ganz unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung durch ein Strafgericht. Gemäss Art. 53 Abs. 1 OR ist ein Zivilgericht nämlich bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit nicht an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht gebunden. Demzufolge ist es für die Geltendmachung und Beurteilung einer Zivilforderung nicht von Relevanz, ob erstens überhaupt ein Strafverfahren eröffnet und durchgeführt worden ist und zweitens, ob das Strafgericht den oder die Spieler*in verurteilt hat.

B. Case Law

[54]

Es gibt soweit ersichtlich nur sehr wenige Eishockey-Vorfälle, die ein straf- oder zivilrechtliches Verfahren zur Folge hatten. Beispielhaft werden die drei nachfolgenden prominenten Fälle, welche in disziplinarischer sowie zivil- und strafrechtlicher Sicht völlig unterschiedlich beurteilt wurden, in kurzer Form dargestellt.

1. Stefan Schnyder vs. Ronny Keller (Ereignis vom 5. März 2013)

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Eines der tragischsten Ereignisse im Schweizer Eishockey ereignete sich am 5. März 2013 im zweiten Halbfinalspiel der National League B. Ronny Keller, der Verteidiger des EHC Olten, wurde von Langenthal-Stürmer Stefan Schnyder gecheckt. Keller stürzte äusserst unglücklich und mit hoher Geschwindigkeit kopfvoran in die Bande und erlitt dabei schwere Verletzungen. Seitdem ist Ronny Keller gelähmt.

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Das gegen Schnyder eröffnete Disziplinarverfahren wurde vom Einzelrichter der damaligen Schweizerischen Eishockey Nationalliga GmbH eingestellt, da er keine Regelwidrigkeit, namentlich keinen verbotenen Bandencheck (boarding) feststellen konnte. Das entsprechende Urteil wurde später vom Verbandssportgericht und vom Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne bestätigt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat ihrerseits von Amtes wegen ein Strafverfahren eröffnet, dieses später aber eingestellt.

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Die regeltechnische und strafrechtliche Einordnung dieses Vorfalls ist nach der hier vertretenen Ansicht aber nicht ganz so klar, wie es die vorgenannten Entscheide vermuten lassen. Der damalige Head-Schiedsrichter beurteilte die Aktion als Bandencheck gemäss Regel 520 lit. b IIHF und sanktionierte Stefan Schnyder mit einer grossen Strafe und einer Spieldauer-Disziplinarstrafe (Restausschluss vom Spiel). Ein unerlaubter Bandencheck setzt das Checken eines Gegenspielers mit dem Körper oder dem Ellenbogen, einen unerlaubten Körperangriff oder ein Beinstellen voraus, sodass dieser wuchtig gegen die Bande geworfen wird. Gemäss Entscheid im ordentlichen Verfahren Nr. 12-13/10262/7 vom 25. März 2013 sei aber keines dieser Tatbestandsmerkmale erfüllt gewesen, namentlich sei Ronny Keller weder mit dem Körper noch mit dem Ellenbogen gecheckt, noch sei er unerlaubt angegriffen worden und es liege auch kein Beinstellen vor, womit auch keine Verletzung der Regel 520 lit. b IIHF vorliege. Diese Feststellungen können zumindest in Frage gestellt werden. Zwar sucht Ronny Keller kurz vor der Bande eindeutig zuerst den Körperkontakt zu Stefan Schnyder und setzt seinerseits zu einem (leichten) Check an, welcher sodann aber von Stefan Schnyder (nach der hier verbetenen Ansicht und somit entgegen der Einschätzung des Einzelrichters) mit einem wuchtigen Gegencheck beantwortet wird. In der Folge war es eine Verkettung von äusserst unglücklichen Umständen, welche zu den tragischen und folgenschweren Verletzungen führte. Wendet man auf diese Situation wiederum die (strenge) Praxis des Bundesgerichts an, wonach sich ein Eishockeyspieler auf dem Eis immer so bewegen muss, dass er auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls noch bremsen oder seinem Gegenspieler ausweichen kann an (BGE 134 IV 26, E. 3.3.3), dann könnte man bei der Beurteilung dieser gefährlichen Situation durchaus auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Nochmals sei aber gesagt, dass es insbesondere bei hohen Tempi nicht immer möglich ist, noch zu bremsen, dem Gegenspieler auszuweichen oder generell adäquat auf eine sich verändernde Situation zu reagieren. Stefan Schnyder muss in diesem Zusammenhang sicherlich zugutegehalten werden, dass beide Spieler in vollem Tempo Richtung Bande unterwegs waren, ein Ausweichen oder Bremsen für ihn kaum mehr möglich war und sich die Situation für beide Spieler innerhalb Millisekunden verändert hat. Letztlich ist dieser tragische Vorfall rechtlich nur schwer einzuordnen.

2. Fabrice Herzog vs. Eric Blum (Ereignis vom 14. Februar 2021)

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In einem Spiel zwischen dem HC Davos und dem SC Bern am 14. Februar 2021 checkte der Davoser Spieler Fabrice Herzog den Berner Verteidiger Eric Blum gegen den Kopf. Blum erlitt als Folge davon eine schwere Gehirnerschütterung, eine gebrochene Nase und eine Verletzung des Schultergelenks. In einem Disziplinarverfahren wurde Herzog (zu Recht) für seinen unerlaubten Check gegen den Kopf von Blum für acht Spiele gesperrt und musste eine Busse in der Höhe von CHF 11'500 bezahlen. Eric Blum musste seine Karriere aufgrund der Verletzungsfolgen beenden.

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Bis anhin ist weder ein Strafverfahren eröffnet noch (soweit bekannt) ein Zivilverfahren anhängig gemacht worden. Dies ist insofern erstaunlich, da es sich in casu um ein Offizialdelikt handeln könnte resp. dürfte. Aufgrund der eingetretenen Verletzung und dem Fakt, dass Eric Blum nicht mehr in seinen Beruf als Eishockeyspieler zurückkehren konnte, könnte vorliegend durchaus eine schwere Körperverletzung nach Art. 122 StGB vorliegen. In subjektiver Sicht lässt die Entscheidung des Einzelrichters aufhorchen. Gemäss dem Entscheid des Einzelrichters wurde die Situation von ihm wie folgt eingeschätzt (Entscheid des Einzelrichters Disziplinarwesen Leistungssport vom 18. Februar 2021, Nr. 20-21/20790/7, Ziffer 6): «Für den Beschuldigten war ohne Weiteres erkennbar, dass Blum bereits von einem Mitspieler bedrängt wird. Blum musste nicht damit rechnen, dass er in dieser Situation von einem weiteren Spieler zusätzlich attackiert wird. Situationen, in denen ein Spieler seinen Gegenspieler attackiert, der sich mit einem anderen Spieler bereits in einem Zweikampf befindet, sind besonders gefährlich, weil sich der attackierte Spieler in der Regel auf seinen direkten Gegenspieler konzentriert und mit dem zweiten Spieler nicht rechnet und sich damit auch nicht angemessen verteidigen kann. Schon ein fairer Check wäre in dieser Situation rücksichtslos und gefährlich gewesen. Erschwerend kommt hier hinzu, dass der Check direkt, hauptsächlich und auch wuchtig gegen den Kopf geführt wurde. Solche Checks können Spielerkarrieren beenden.»

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Aufgrund der vorstehenden Einschätzung kann mit guten Gründen argumentiert werden, dass Fabrice Herzog die Verletzung von Eric Blum eventualvorsätzlich in Kauf genommen hat. Damit könnte resp. dürfte ein Offizialdelikt vorliegen, welches von Amtes wegen, d.h. auch ohne explizite Strafanzeige, strafrechtlich zu verfolgen ist. Der Grund, weshalb dies nicht erfolgt ist, dürfte darin liegen, dass der Staatsanwaltschaft keine Anzeige zugegangen ist und diese damit vom Fall zumindest formalisiert auch keine Kenntnis hat. Oftmals erfolgt eine Anzeige bei Körperverletzungen über einen Polizeirapport, ein solcher wird im Rahmen von Sportverletzungen aber in aller Regel nicht erstellt, da die Polizei nicht beigezogen wird. Hinzu kommt, dass die behandelnden Ärzte gemäss dem hier massgebenden Gesundheitsgesetz des Kantons Bern (namentlich Art. 28 Abs. 2 des GesG Kanton Bern) bei Verbrechen oder Vergehen gegen Leib und Leben nur ein Melderecht, nicht aber eine Meldepflicht haben. Letztlich hätte somit wohl Eric Blum seinerseits eine Anzeige einreichen müssen, damit (vermutungsweise) ein Strafverfahren eröffnet worden wäre.

3. Kevin Miller vs. Andrew McKim (Ereignis vom 31. Oktober 2000)

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In einem Hockeyspiel zwischen dem HCD und dem ZSC kam es am 31. Oktober 2000 zu einem Foul des HCD-Spielers Kevin Miller gegen den ZSC-Spieler Andrew McKim. McKim wurde durch Miller von hinten in den Rücken gecheckt, er fiel nach vorne und schlug mit seinem Kopf auf das Eis auf. Er erlitt durch den Aufprall ein Schädelhirntrauma, eine Rissquetschwunde an der Stirn/Augenbraue und eine leichte Halswirbelsäulen-Verstauchung. Die Folgen des Schädelhirntraumas waren bleibende Beeinträchtigungen wie Schwindel und Kopfschmerzen.

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Disziplinarrechtlich wurde Kevin Miller für acht Spiele gesperrt und musste eine Busse in der Höhe von CHF 3'000 bezahlen. Dieser Entscheid wurde durch die Rekurskammer des schweizerischen Eishockeyverbands bestätigt. In der Folge wurde Kevin Miller vom Bezirksgericht Zürich der einfachen Körperverletzung sowie der fahrlässigen schweren Körperverletzung für schuldig befunden. Das Obergericht des Kantons Zürich hob diesen Entscheid − erstaunlicherweise − auf und sprach Kevin Miller vollumfänglich frei. Das Bundesgericht hat sodann den Freispruch des Obergerichts − zu Recht − aufgehoben und den Entscheid des Bezirksgerichts bestätigt (BGE 134 IV 26), was sodann auch den Weg zur Geltendmachung einer Zivilforderung ebnete. Gemäss einem Online-Medienbericht musste Kevin Miller 14 Jahre nach dem Foul an Andrew McKim eine Entschädigung in der Höhe von 1,1 Millionen Dollar bezahlen (vgl. Swissinfo.ch; 14 Jahre nach Foul: McKim erhält Entschädigung von Miller).