Spiel- und Wettspielmanipulation im Sport

Zitiervorschlag: Mirjam Koller Trunz, Spiel- und Wettspielmanipulation im Sport, in: Anne Mirjam Schneuwly/Yael Nadja Strub/Mirjam Koller Trunz (Hrsg.), Sportverbandskommentar, https://sportverbandskommentar.ch/spielmanipulation, 1. Aufl. (publiziert am 23. Juni 2023).
Kurzzitat: Koller Trunz, Rz. xx.


Literatur

Bösing Jan, Manipulationen im Sport und staatliche Sanktionsmöglichkeiten. Zur Notwendigkeit eines neuen Straftatbestandes gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Sport, Diss. Online-Publikation 2014; Bossart Fabienne, Sportwetten und Spielmanipulation, in: Juchli Philipp/Würmli Marcel/Haunreiter Diego (Hrsg.), Sport zwischen Recht, Wirtschaftlichkeit und Kultur, Bern 2007, S. 21 ff.; Brägger Rafael, Liberale und regulierte Geldspielmärkte in der Schweiz und in Liechtenstein, CaS 1/2021, S. 52 ff.; Carpenter Kevin, Match-Fixing – The Biggest Threat to Sport in the 21st Century?, Sweet & Maxwell's International Sports Law Review (2) 2011, S. 13 ff.; Diaconu Madalina/Surbhi Kuwelkar/Andre Kuhn, The court of arbitration for sport jurisprudence on match-fixing: a legal update, The International Sports Law Journal 2021, S. 27 ff.; Duttig Andreas, Comfortably satisfied?: das Beweismaß in internationalen Doping- und Spielmanipulationsverfahren vor dem Internationalen Sportschiedsgerichtshof CAS unter besonderer Berücksichtigung des Standards comfortable satisfaction, Diss. Lausanne 2018; Feldner Wolfgang, Sportwettenmärkte: Großes Spielfeld, viele Spielmacher – aber kaum ein Kombinationsspiel, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 89 ff.; Haas Ulrich, Die CAS-Rechtsprechung zu Spielmanipulationen im Zusammenhang mit Sportwetten, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 199 ff.; Heilemann Tina, Bestechlichkeit und Bestechung im sportlichen Wettbewerb als eigenständiges Strafdelikt – de lege lata, de lege ferenda, Diss. Stuttgart 2014; Hessert Björn, Straftatbestände gegen Wettkampfmanipulationen – ein gelungener Start, Causa Sport 3/2019, S. 268 ff.; Hill Declan, The Insider's Guide to Match-Fixing in Football, Toronto 2013; Jessberger Tobias, Der Subsidiaritätsgrundsatz als Rechtfertigung für eine Aufhebung des Sportwettenmonopols, SpuRt 6/2007, S. 231 ff.; Koerl Carsten, Wettbetrugstechniken und Abwehrmaßnahmen im internationalen Fußball, in: Steiner Udo (Hrsg.), Wettkampfmanipulation und Schutzmechanismen, Stuttgart 2012, S. 9 ff.; Ludwig Kai, Internationale Fußballsanktionspraxis bei Verfehlungen im Sportwettenbereich, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 181 ff.; Mintas Laila, Glücksspiele im Internet – Insbesondere Sportwetten mit festen Gewinnquoten (Oddset-Wetten) unter strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und europarechtlichen Gesichtspunkten, Diss. Berlin 2009; Mravec Ladislav, Match-fixing as a Threat to Sport: Ethical and Legal Perspectives, Studia Sportiva 2021/2, S. 37 ff.; Muresan Remus, Die Europaratskonvention über die Manipulation von Sportwettkämpfen, CaS 1/2016, S. 3 ff.; Riemer Hans Michael, Berner Kommentar, Die juristischen Personen: Die Vereine, Systematischer Teil und Art. 60-79 ZGB, Bern 1990; Schenk Sylvia, Der Kampf gegen Manipulation im Sport, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 139 ff.; Scherrer Urs/Brägger Rafael, in: Geiser Thomas/Fountoulakis Christiana (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022; Scherrer Urs/Muresan Remus, Handbuch zum schweizerischen Lotterie- und Wettrecht, Zürich/St. Gallen 2014; Serby Tom, The Council of Europe Convention on Manipulation of Sports Competitions: the best bet for the global fight against match-fixing?, The International Sports Law Journal 15/2015, S. 83 ff.; Steiner Udo, Schutz des Sports – Verbands- oder Staatsaufgabe?, in: Steiner, Udo (Hrsg.), Wettkampfmanipulation und Schutzmechanismen, Stuttgart 2012, S. 45 ff.; Trunz Mirjam, Ein globaler Lösungsansatz zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulation im Sport, Diss. Zürich 2016; Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg, § 16 Der Verein, in: Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Jungo Alexandra (Hrsg.), Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015, S. 139 ff.; Villiger Marco, Der Kampf der Verbände gegen Spielmanipulationen, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 119 ff.; Werner Christian/Kainz Florian, Sportwetten – mit oder ohne Grenzen?, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 151 ff.; Zenglein Detlev, Möglichkeiten und Grenzen von Überwachungssystemen zur Sicherung der Integrität des Sports, in: Kainz Florian/Scherrer Urs/Werner Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Zürich 2012, S. 171 ff.

Materialien

Entschliessungsantrag des Europäischen Parlaments zu Spielabsprachen und Korruption im Sport, 2013/2567(RSP) (zit. Entschliessungsantrag Europäisches Parlament); Erläuternder Bericht zum Entwurf des Bundesgesetzes über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS), Bundesamt für Justiz, 30. April 2014 (zit. Erläuternder Bericht zum BGS); Explanatory Report to the Council of Europe Convention on the Manipulation of Sports Competitions, Council of Europe, September 2014 (zit. Explanatory Report); Glücksspiel im Internet, Schlussbericht der Fachdirektorenkonferenz Lotteriemarkt und Lotteriegesetz, 4. Februar 2009 (zit. Schlussbericht Glücksspiel im Internet); Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport, Bericht in Erfüllung des Postulats 11.3754 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates, 28. Juni 2011 (zit. Bericht über Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport); Match-fixing in sport – A mapping of criminal law provisions in EU 27, KEA European Affairs, März 2012 (zit. Match-fixing in sport); Merkblatt Sportwetten, Bundesamt für Justiz, Februar 2021 (zit. Merkblatt Sportwetten); Sportminister unterzeichnen Konvention gegen Wettkampfmanipulation im Sport, Pressemitteilung BASPO, 18. September 2014 (zit. Pressemitteilung BASPO vom 18. September 2014).

I. Das Phänomen Spiel- und Wettspielmanipulation

[1]

Wettskandale haben in den vergangenen Jahren die gesamte Sportwelt erschüttert. Es ist davon auszugehen, dass weltweit jährlich hunderte – wenn nicht sogar tausende – sportliche Wettbewerbe durch Spieler*innen und Schiedsrichter*innen manipuliert werden (Trunz, S. 1 f.). Der Grund dafür liegt insbesondere im enormen wirtschaftlichen Potenzial sowohl des Sport- als auch des Sportwettmarkts. Die Finanzstärke der beiden Märkte birgt die Gefahr, dass sie durch illegale Machenschaften beeinflusst werden (Bossart, S. 47; Haas, S. 200; Mravec, S. 37). Dies geschieht vorwiegend durch Sportwetten und die damit verbundene Manipulation der sportlichen Wettkämpfe, wodurch die gesamte Sportbranche einen immensen Reputationsschaden erleidet (vgl. Bossart, S. 47; Ludwig, S. 182; Heilemann, S. 28 f.; Schenk, S. 146; Mravec, S. 37). Aufgrund der Internationalisierung und Kommerzialisierung des Sports, des steigenden Marktanteils des unregulierten Sportwettmarkts, der Erfindung des Internets sowie der zunehmenden Aktivitäten krimineller Organisationen auf dem Sportwettmarkt haben sich Spiel- und Wettspielmanipulationen – gemeinsam mit Doping und Korruption – zu einer der grössten Gefahren für den modernen Sport entwickelt (vgl. Trunz, S. 35; Bossart, S. 47; Mravec, S. 37). In den letzten Jahren haben mehr als 80 Länder Fälle von Spiel- und Wettspielmanipulation an INTERPOL gemeldet (Diaconu/Kuwelkar/Kuhn, S. 27). INTERPOL berichtete, dass die Operation SOGA (SOccer-GAmbling) zwischen 2007 und 2014 zu über 8400 Verhaftungen, Beschlagnahmungen von fast 40 Millionen US-Dollar und zur Schliessung von rund 3400 illegalen Wettanbietern, die Sportwetten im Wert von insgesamt 5,7 Milliarden US-Dollar abwickelten, führte (Diaconu/Kuwelkar/Kuhn, S. 27).

[2]

Sowohl die Sportverbände als auch die Staaten verfügen über verschiedene Möglichkeiten, gegen dieses Problem vorzugehen. Aufgrund der schwerwiegenden Beweisproblematik, der fehlenden Vollstreckungsmacht und ohne polizeiliche Befugnisse ist die Sportwelt alleine nicht in der Lage, das Problem zu lösen, sondern ist auf staatliche Hilfe, insbesondere durch eine angemessene Regulierung des Sportwettmarkts und strafrechtliche Mittel, angewiesen. Aufgrund der internationalen Dimension des Problems sind aber auch den Staaten bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen Grenzen gesetzt. Folglich erfordert eine effiziente Bekämpfung des Problems eine globale Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft aller Protagonisten.

A. Grundwerte des Sports und ihre Gefährdung durch Spiel- und Wettspielmanipulation

[3]

Einer der wichtigsten Grundwerte des Sports ist die Unkalkulierbarkeit der Ergebnisse. Führen Sportwettgeschäfte dazu, dass Athleten*innen, Trainer*innen, Schiedsrichter*innen oder Funktionäre*innen durch Drohungen oder Geldversprechen dazu gebracht werden, einen Wettkampf im Sinne der wettenden Personen zu manipulieren, wird der Grundwert der Unkalkulierbarkeit der Resultate ausgehebelt (vgl. Steiner, S. 46; Trunz, S. 6 m.w.H.; Mravec, S. 39). Nicht die blosse Durchführung eines sportlichen Wettkampfs macht die Attraktivität des Sports aus, sondern vor allem die Ungewissheit über dessen Ausgang und die damit verbundene Spannung (Steiner, S. 46). Wären alle Sportergebnisse bereits im Vornhinein bestimmt, würde nicht mehr der beste bzw. die beste Athlet*in oder die beste Mannschaft gewinnen, sondern einzig ein vorbestimmtes Ergebnis eintreten (Trunz, S. 6). Dadurch würde der Sport nicht nur sein Überraschungselement, sondern seine gesamte Glaubwürdigkeit verlieren (Heilemann, S. 28; Trunz, S. 6 f.).

B. Das Wesen der Spiel- und Wettspielmanipulation

[4]

Spielmanipulationen können in drei verschiedenen Formen vorkommen: die sportintern motivierte Spielmanipulation, die aussersportliche Wettspielmanipulation und das insider-betting.

[5]

Als sportintern motivierte Spielmanipulation (auch Spielabsprachen genannt) werden jene Eingriffe in den Ablauf eines Sportwettkampfs bezeichnet, die primär aufgrund des positiven Ergebnisses erfolgen (Bösing, S. 48; Match-fixing in sport, S. 10). Das Motiv für solche Manipulationen liegt in der Verfolgung von sportlichen Interessen wie z.B. den Aufstieg in eine höhere Liga (Koerl, S. 12; Bösing, S. 12; Hill, S. 33; Schenk, S. 144; Match-fixing in sport, S. 10).

[6]

Die aussersportlichen Wettspielmanipulationen zielen – im Gegensatz zu den eben erwähnten sportintern motivierten Spielmanipulationen – auf einen finanziellen Vorteil auf dem Sportwettmarkt ab (Bösing, S. 12; Hill, S. 34 f.; Villiger, S. 120; Match-fixing in sport, S. 10). Häufig sind bei aussersportlichen Wettspielmanipulationen kriminelle Organisationen (sog. Wettmafias) involviert, die versuchen, ihr Verlustrisiko auf dem Sportwettmarkt auszuschliessen (Heilemann, S. 106 f.; Trunz, S. 14; Schenk, S. 144; Bericht über Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport, S. 51). Dazu manipulieren sie Sportwettkämpfe mit Hilfe von Einschüchterung, Erpressung und Gewalteinwirkung gegenüber den Spieler*innen, Schiedsrichter*innen sowie deren Familienangehörigen (Zenglein, S. 171; Trunz, S. 14).

[7]

Unter insider-betting wird die Ausnutzung vertraulicher Informationen wie z.B. die Startaufstellung oder der Gesundheitszustand der Athleten*innen, verstanden, um sich selber oder – durch den Verkauf des Insiderwissens – aussenstehenden Personen einen Vorteil am Sportwettmarkt zu verschaffen (Ludwig, S. 183; Trunz, S. 30). Verfügt eine wettende Person über die Information, dass eine favorisierte Mannschaft aufgrund einer Grippe im kommenden Spiel geschwächt antreten wird, kann die wettende Person einen hohen Betrag auf die Niederlage dieses Teams setzen und geniesst dadurch einen entscheidenden Informationsvorteil gegenüber dem Wettanbieter und den anderen Wettspieler*innen (Ludwig, S. 183).

II. Vereinsrechtliche, staatliche und überstaatliche Massnahmen gegen Spiel- und Wettspielmanipulation

[8]

Sowohl die internationalen Sportverbände als auch verschiedene Staaten haben bereits Massnahmen im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulation erlassen.

A. Vereinsrechtliche Massnahmen

[9]

Die nach Schweizer Recht konzipierten Vereine geniessen ein stark ausgeprägtes Selbstbestimmungsrecht (BGE 134 III 193 E. 4.3). Im Rahmen der sog. Vereinsautonomie können die Vereine ihre Organisation sowie die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsverhältnisse – unter Beachtung der wenigen zwingenden gesetzlichen Normen nach Art. 63 Abs. 2 ZGB – weitgehend selbst bestimmen und mittels Sanktionen durchsetzen (BSK ZGB-Scherrer/Brägger, Vorbemerkungen zu Art. 60-79 N 10 ff.; BK-Riemer, Art. 63 ZGB N 43 ff.; Tuor/Schnyder/Schmid, S. 139 ff.; siehe auch den Beitrag von Humbel/Schneuwly). Aufgrund des liberalen Vereinsrechts, der politischen Stabilität der Schweiz sowie der steuerrechtlichen Privilegien haben viele bedeutende internationale Sportverbände ihren Sitz in der Schweiz (z.B. FIFA, UEFA, IOC, IIHF, FIS, usw.) (vgl. Trunz, S. 38, m.w.H.).

1. Repressive Massnahmen

[10]

Die repressiven Massnahmen der Verbände im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen dienen der Aufklärung eines Verstosses gegen verbandsinterne Regelwerke (Trunz, S. 39).

a Regelsetzung der Verbände
[11]

Nach Art. 7 des Olympic Movement Code on the Prevention of the Manipulation of Competitions sind alle internationalen Sportverbände, die an die Olympic Charter gebunden sind, verpflichtet, die Bestimmungen dieses Codes in ihre Regelwerke umzusetzen. Um weiterhin vom IOC anerkannt zu werden, haben mittlerweile alle grösseren internationalen Sportverbände Regelungen zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen erlassen und verbieten in ihren Regelwerken mittels Aufzählung verschiedene Handlungen (Diaconu/Kuwelkar/Kuhn, S. 29). Der UEFA kam diesbezüglich eine Vorreiterrolle zu, indem sie bereits im Jahr 2013 eine ausführliche Bestimmung zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen widmete. Im aktuellen Disziplinarreglement (2022) sind in Art. 12 folgende Handlungen verboten:

1 All persons bound by UEFA's rules and regulations must refrain from any behavior that damages or could damage the integrity of matches and competitions and must cooperate fully with UEFA at all times in its efforts to combat such behaviour.
2 The integrity of matches and competitions is violated, for example, by anyone:
a. who acts in a manner that is likely to exert an unlawful or undue influence on the course and/or result of a match or competition with a view to gaining an advantage for himself or a third party;
b. who participates directly or indirectly in betting or similar activities relating to competition matches or who has a direct or indirect financial interest in such activities;
c. who uses or provides others with information which is not publicly available, which is obtained through his position in football, and damages or could damage the integrity of a match or competition;
d. who does not immediately and voluntarily inform UEFA if approached in connection with activities aimed at influencing in an unlawful or undue manner the course and/or result of a match or competition;
e. who does not immediately and voluntarily report to UEFA any behaviour he is aware of that may fall within the scope of this article.
[…]
[12]

Die UEFA verbietet also nicht nur die sportintern motivierte Spielmanipulation und die aussersportliche Wettspielmanipulation (in lit. a) sowie das insider-betting (in lit. c), sondern sieht auch ein allgemeines Wettverbot für ihre Mitglieder vor (in lit. b). Ausserdem beinhaltet Art. 12 UEFA Disziplinarreglement eine sog. no-touch-rule (lit. d), wonach die Mitglieder verpflichtet werden, jeglichen Kontakt zu Personen, die ihnen ein Angebot bezüglich einer Spiel- bzw. Wettspielmanipulation unterbreiten, unverzüglich zu melden. Schliesslich sieht die UEFA in lit. e eine allgemeine Informationspflicht vor. Der Grund für die no-touch-rule und die allgemeine Informationspflicht liegt in den mit den Spiel- und Wettspielmanipulationen verbundenen Beweisschwierigkeiten. So ist der direkte Nachweis eines absichtlichen Fehlentscheids eines/einer Schiedsrichter*in oder die absichtlich vergebene Tormöglichkeit aufgrund des innerpsychischen Elements solcher Sachverhalte unmöglich zu erbringen (Haas, S. 214 f.).

[13]

Verschiedene internationale Sportverbände haben die Spiel- und Wettspielmanipulationstatbestände nicht ins Disziplinar- oder Ethikreglement integriert, sondern ein eigenes Regelwerk dafür erlassen (siehe z.B. der 2022/23 – 2023/24 Season IIHF Competition Manipulation Code der IIHF oder die FIS Rules on the Prevention of the Manipulation of Competitions).

b. Regeldurchsetzung der Verbände
[14]

Die internationalen Sportverbände sind für die Funktionsfähigkeit des Vereinslebens nicht nur darauf angewiesen, spezifische Regelungen zu erlassen, sondern müssen diese auch mittels Sanktionen durchsetzen können (vgl. Trunz, S. 71 m.w.H.; Villiger, S. 122). Der Sanktionskatalog für Athlet*innen gestaltet sich bei den meisten internationalen Sportverbänden ähnlich. Er reicht von milden Sanktionen wie einem Verweis über härtere Strafen wie etwa eine Busse oder eine Forfait-Niederlage bis hin zu Spielsperren, Transfersperren, Lizenzentzug, Entzug eines Titels bzw. von Medaillen oder sogar zum Verbot, im Sport eine Tätigkeit auszuüben (vgl. z.B. Art. 6 UEFA Rechtspflegeordnung 2022, Art. 7 FIFA Ethik Code 2023, Art. 29 World Aquatics Statuten 2023, Art. 4 FIVB Disziplinarreglement 2022, Art. 16.9 FIS Statuten 2022, usw.). Einige internationale Verbände sehen in ihren Regelwerken vor, bei einer Regelmissachtung nicht nur die einzelne Person, sondern auch die gesamte Mannschaft zu bestrafen (siehe z.B. Art. 8 UEFA Disziplinarreglement 2022).

c. Rechtsprechung des CAS
[15]

Nicht selten werden die von nationalen und internationalen Sportverbänden aufgrund von Spiel- und Wettspielmanipulationen ausgesprochenen schwerwiegenden Sanktionen vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) angefochten. Der CAS hat durch seine Rechtsprechung in den vergangenen Jahren verschiedene Prinzipien bei der Beurteilung von Spiel- und Wettspielmanipulationen erarbeitet:

[16]

Der CAS hat sich mehrfach mit der Frage der Beweislast und des Beweismasses auseinandergesetzt. In Disziplinarfällen – und somit auch in Fällen von Verstössen gegen die Spiel- und Wettspielmanipulationsnormen – obliegt die Beweislast bezüglich des Vorliegens eines solchen Vorfalls bei der Disziplinarbehörde (vgl. z.B. CAS 2009/A/1920, N 84; CAS 2018/A/6075, N 45). Bezüglich der Frage des Beweismasses folgt der CAS seiner Rechtsprechung in Dopingangelegenheiten. Danach ist das Beweismass zwischen dem strengen Beweis (beyond reasonable doubt), der grundsätzlich in strafrechtlichen Verfahren angewendet wird, und dem Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (balance of probabilities), das vor allem in Zivilverfahren gilt, anzusetzen (Haas, S. 214). Der CAS verlangt für eine Sanktionierung aufgrund einer Spiel- und Wettspielmanipulation die sog. comfortable satisfaction (vgl. z.B. CAS 2018/A/6075, N 46; siehe zur Thematik auch Duttig, S. 281 ff.). Dabei handelt es sich um ein flexibles Beweismass, das je nach Schwere des Vorwurfs für jeden Fall einzeln – irgendwo zwischen dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit und dem strengen Beweis – zu bestimmen ist. Bei der Festlegung diese Beweismasses berücksichtigte der CAS «the nature of the conduct in question and the paramount importance of fighting corruption of any kind in sport and also considering the nature and restricted powers of the investigation authorities of the governing bodies of sport as compared to national formal interrogation authorities» (vgl. z.B. CAS 2009/A/1920, N 85; CAS 2013/A/3062, N 91; CAS 2018/A/6075, N 46; CAS 2018/A/5734, N 179). Der CAS wendet das Beweismass der comfortable satisfaction allerdings nur an, wenn die Regeln der Sportverbände entweder das gleiche Beweismass vorschreiben (vgl. z.B. Art. 24 UEFA Disziplinarreglement 2022) oder keine Beweismassnorm enthalten (vgl. z.B. CAS 2018/A/6075, N 46). Soll nach den Regeln des involvierten Sportverbandes allerdings ein anders Beweismass gelten (z.B. sieht das Tennis Anti-Corruption Program 2022 in Punkt G.3.a das Beweismass der preponderance of the evidence, also der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, vor), so ist der CAS daran gebunden (vgl. CAS 2011/A/2490, N 25 ff.).

[17]

Des Weiteren hat sich der CAS mit der Zulässigkeit von verschiedenen Beweismitteln auseinandergesetzt. In Spiel- und Wettspielmanipulationsverfahren werden in der Praxis oftmals folgende Beweise vorgelegt: Informationen von Sportwettanbietern, Expertenreports über das Wettverhalten der Wettspieler*innen und die damit verbundene Veränderung der Wettquoten, Zeugenaussagen, Geständnisse, Protokolle von Telefonüberwachungen und Telefonauswertungen, Videoaufnahmen von verdächtigem Verhalten auf dem Spielfeld, Beweise aus dem parallelen Strafverfahren, etc. (Diaconu/Kuwelkar/Kuhn, S. 41). Da in Spiel- und Wettspielmanipulationsfällen häufig kriminelle Organisationen involviert sind, finden die Sportverbände oftmals keine Zeugen, die zur Aussage bereit sind (Haas, S. 216). Um diese Zeugen zu schützen, lässt der CAS anonyme Zeugenaussagen unter folgenden Bedingungen zu: Es muss sowohl ein überzeugender Grund als auch eine effektive Gefahr für die Zeugen oder ihre Familien bestehen, die Identität der Zeugen muss dem Schiedsgericht bekannt sein, das Schiedsgericht hat die Identität der Zeugen zu überprüfen und ein Kreuzverhör mithilfe technischer Massnahmen (z.B. über das Telefon mit einer Stimmverzerrungssoftware) zu ermöglichen (CAS 2009/A/1920, N 72 ff.; CAS 2018/A/5734, N 159 ff.; Haas, S. 216 ff.; Ludwig, S. 194).

[18]

Ausserdem befasste sich der CAS mit der Frage der Verhältnismässigkeit der ausgesprochenen Sanktionen. Der CAS muss in jedem Einzelfall feststellen, ob die vom Sportverband verhängte Sanktion dem Grad des Verschuldens und der Schwere des Verstosses entspricht (vgl. z.B. CAS 2010/A/2266, N 41) und verhältnismässig ist, d.h. sie muss zur Erreichung eines vertretbaren Ziels vernünftigerweise erforderlich sein (vgl. z.B. CAS 2013/A/3297, N 8.26). Ausserdem darf sie nicht diskriminierend sein in dem Sinne, dass ähnliche Situationen gleich behandelt werden müssen (CAS 2013/A/3297, N 8.37 – 8.40; Diaconu/Kuwelkar/Kuhn, S. 43). Der CAS hat in verschiedenen Fällen auch lebenslängliche Sperren für verhältnismässig angesehen (vgl. z.B. CAS 2010/A/2172, N 84; CAS 2011/A/2490, N 66; CAS 2009/A/1920, N 115). Da eine lebenslange Sperre bereits einen Einfluss auf die Erwerbsmöglichkeit hat, erachtet das CAS eine zusätzliche Busse zur lebenslangen Sperre als unverhältnismässig (z.B. CAS 2011/A/2490, N 72 f.; CAS 2011/A/2621, N 48).

[19]

Schliesslich betonte der CAS in seinen Urteilen mehrfach, dass der Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen mit aller Härte zu führen sei (sog. Null-Toleranz-Prinzip, siehe z.B. CAS 2009/A/1920, N 115 ff.; CAS 2010/A/2172, N 80; CAS 2013/A/3258, N 140) und umschrieb die Problematik als «one of the worst possible infringements of the integrity of sports» (CAS 2009/A/1920, N 115) sowie als «cancer, in many major sports, football included, [which] must be eradicated» (CAS 2010/A/2172, N 78; vgl. auch CAS 2019/A/6439, N 265).

d. Systemimmanente Defizite von repressiven Verbandsmassnahmen
[20]

Eine der grössten Herausforderungen bei der Durchsetzung der verbandsrechtlichen Normen sind die Beweisschwierigkeiten (Villiger, S. 133). Der direkte Nachweis einer absichtlichen Fehlentscheidung eines Schiedsrichters oder der absichtlich mangelnden Störarbeit eines/einer Defensivspielers*in ist – sofern kein Geständnis der jeweiligen Person vorliegt – unmöglich zu erbringen (Haas, S. 214 f.; Trunz, S. 98; Villiger, S. 134). Der Beweis kann lediglich auf indirektem Weg erfolgen, nämlich über Zeugenaussagen, Bankdaten, Telefonabhörprotokolle von polizeilichen Ermittlungen, etc. (Trunz, S. 98). Hinzu kommt, dass die Sportverbände weder die Mittel noch die rechtlichen und technischen Möglichkeiten haben, Zwangsmassnahmen (wie z.B. Überwachungsmassnahmen oder Hausdurchsuchungen) anzuordnen oder verdeckt Ermittler einzusetzen (Ludwig, S. 197 f.; Hügi, S. 256; Villiger, S. 125, 135). Ohne die Möglichkeit, im verbandsinternen Verfahren auf die Ergebnisse des polizeilichen Ermittlungsverfahrens zurückzugreifen, wären die verbandsrechtlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulation schnell ausgeschöpft (Heilemann, S. 222; Trunz, S. 112; Ludwig, S. 198; Steiner, S. 47).

[21]

Ein weiteres Problem der verbandsrechtlichen Normen besteht in ihrem eingeschränkten Anwendungsbereich. Die Gebundenheit an die Regelwerke eines Sportverbands und die damit verbundene Möglichkeit der Sanktionierung besteht nur gegenüber Verbandsmitgliedern (Ludwig, S. 198; Villiger, S. 126). Bei der Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen geht es aber nicht nur um die Verfolgung von Athlet*innen, Trainer*innen, Schiedsrichter*innen oder Funktionär*innen, sondern auch um die Sanktionierung von aussenstehenden Personen, welche die Sportler*innen und Schiedsrichter*innen dazu bringen, Spiele zu manipulieren (Ludwig, S. 198; Villiger, S. 126). Die Bestrafung von solchen Personen kann nur über ein staatliches Strafverfahren erfolgen (Villiger, S. 126; Trunz, S. 113).

2. Präventive Massnahmen

[22]

Da die Durchsetzung der repressiven Verbandsmassnahmen mit Problemen verbunden ist, erscheinen die präventiven Massnahmen im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen zunehmend wichtiger. Einen wichtigen Beitrag an die Prävention leisten sog. Frühwarnsysteme wie das Universal Fraud Detection System (UFDS) von Sportradar (vgl. z.B. Koerl, S. 18 ff.). Sie beobachten den Sportwettmarkt und schlagen Alarm, sobald ein unerwartetes Wettverhalten bezüglich eines bestimmten Sportereignisses zu erkennen ist (Hill, S. 118; Zenglein, S. 172 f.). Mithilfe analytischer Beobachtungen durch Experten können nicht nur Veränderungen von Wettquoten und Wettangeboten festgestellt und die Liquidität des Markts kontrolliert, sondern auch ein umfassender Überblick über alle Verschiebungen auf dem Sportwettmarkt gewonnen werden (Zenglein, S. 173 f.). Die Frühwarnsysteme sollen nicht nur eine Manipulation frühzeitig erkennen, sondern auf die Athlet*innen und Schiedsrichter*innen eine abschreckende Wirkung entfalten (Zenglein, S. 172). Der CAS hat in seiner Rechtsprechung die Reports von Frühwarnsystemen als «reliable mechanism to assist in the detection of fixed matches» angesehen (CAS 2018/A/5734, N 194; vgl. CAS 2016/A/4650, N 102). Allerdings besteht die Gefahr, dass die Frühwarnsysteme durch gezielte Fehlinformationen falsche Alarme auslösen oder Manipulationen auf dem illegalen Sportwettmarkt gar nicht erkennen können (Zenglein, S. 177).

[23]

Weitere wichtige präventive Massnahmen der Sportverbände sind die jeweiligen Aufklärungsprogramme, mit denen alle im Sport tätigen Personen bezüglich der Problematik rund um Spiel- und Wettspielmanipulationen sensibilisiert und zu einer angemessenen Verhaltensweise im Umgang mit Sportwetten motiviert werden sollen (Trunz, S. 118; Carpenter, S. 22 f.; Feldner, S. 94). Ausserdem haben diverse Sportverbände in den vergangenen Jahren Verhaltensrichtlinien erlassen, die alle im Sport involvierten Personen von Spiel- und Wettspielmanipulationen fernhalten sollen, sowie Meldestellen und Beratungshotlines errichtet (Trunz, S. 121 f.; Hill, S. 277 f.).

B. Staatliche Lösungsansätze gegen Spiel- und Wettspielmanipulation

[24]

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten der Sportverbände zeigen Spiel- und Wettspielmanipulationen der vergangenen Jahre deutlich, dass die Sportverbände den wachsenden Anforderungen des globalisierten und kommerzialisierten Sports und Sportwettmarkts alleine nicht gewachsen, sondern auf die Unterstützung der Staaten angewiesen sind (Trunz, S. 129; Ludwig, S. 198). Die Staaten können einerseits mit der Regulierung des Sportwettmarkts und andererseits durch das Strafrecht einen Beitrag zur Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen leisten.

1. Sportwettmarktrechtliche Ansätze

[25]

Die Sportwettanbieter stellen aufgrund ihres Beitrags an die Sportfinanzierung wirtschaftlich wichtige Partner für den Sport dar, weshalb Sportwetten nicht per se als negative Nebenerscheinung des Sports zu betrachten sind (Feldner, S. 90, 94; Haas, S. 199 f.). Allerding kann sich das Sportwettgeschäft bei intransparenter Regelung zu einer grossen Gefahr für den Sport entwickeln (Trunz, S. 6).

a. Die verschiedenen Ansätze im Überblick
[26]

Bei der Regulierung des Sportwettmarkts treffen die verschiedenen Interessen der Wettspieler*innen, der Wettanbieter, der Gesellschaft, des Staats und der Sportwelt aufeinander (Feldner, S. 90). Während das Interesse der Wettanbieter in erster Linie darin besteht, durch ein attraktives Angebot auf dem Markt konkurrenzfähig zu sein, möchten die Gesellschaft und der Staat die negativen Begleiterscheinungen – insbesondere die Spielsucht und die Spiel- und Wettspielmanipulationen – wirksam bekämpfen (Bericht über Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport, S. 49; Feldner, S. 90 ff.). Das gemeinsame Interesse aller Protagonisten liegt lediglich darin, den unregulierten Wettmarkt, der vor allem im asiatischen Raum verbreitet ist, zu unterbinden. Denn diese Märkte entziehen den regulierten Wettanbietern nicht nur immense Marktanteile, sondern bieten mangels Regeln auch Raum für Spiel- und Wettspielmanipulationen, die einen Reputationsschaden für den gesamten Sportwettmarkt zur Folge haben (Bericht über Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport, S. 49 f.; Trunz, S. 213 ff.; Carpenter, S. 20; Villiger, S. 125). Die Interessenskonflikte bestehen aber nicht nur zwischen den einzelnen Protagonisten, auch die einzelnen Akteure haben selbst mit solchen zu kämpfen. Die Sportverbände fordern z.B. einerseits eine immer grössere Beteiligung an den Erträgen aus dem Sportwettgeschäft, andererseits gefährden die negativen Begleiterscheinungen wie die Spiel- und Wettspielmanipulationen die Integrität des Sports (Trunz, S. 214; Feldner, S. 93; Haas, S. 200; Carpenter, S. 24; Bericht über Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport, S. 49 f.).

[27]

Für die Regulierung des Sportwettmarkts stehen den Staaten drei Modelle offen. Sie können die Sportwetten durch ein nationales Verbot komplett untersagen, durch ein staatliches Monopolsystem in einem bestimmten Rahmen erlauben oder durch ein Konzessionsmodell liberalisieren (Feldner, S. 89; Werner/Kainz, S. 152). Während Staaten, welche Glücksspiele generell als sozial schädlich ansehen, dem Verbots- oder Monopolmodell folgen, kennen andere Länder, welche die finanziellen Vorteile der Glücksspiele würdigen, ein liberaleres Modell bezüglich Sportwetten (Trunz, S. 131 f.).

aa) Sportwettverbot

[28]

Das Sportwettverbot wird entweder durch kulturelle oder religiöse Gründe oder mit den negativen Folgewirkungen des Wettgeschäfts (wie z.B. die Zunahme von spielsüchtigen Personen) gerechtfertigt. Zur Durchsetzung des Sportwettverbots werden die Teilnahme an und die Veranstaltung von Sportwetten in verschiedenen Staaten strafrechtlich verfolgt (Scherrer/Muresan, Rz. 345). Mit einem effizient durchgesetzten Wettverbot kann sowohl die Suchtgefährdung der Bevölkerung sowie die Gefahr der Folgekriminalität reduziert werden (Trunz, S. 215; Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 114). Fraglich ist allerdings, ob ein generelles Sportwettverbot einer Verhältnismässigkeitsprüfung standhält. Mit einem solchen Verbot werden sämtliche Wettspieler an der Ausübung einer an sich legitimen Freizeitbeschäftigung gehindert, obwohl den meisten von ihnen ein normales Spielverhalten zuzutrauen ist, das keine zusätzlichen Kosten für die Gesellschaft generiert (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 114). Ein weiterer grosser Nachteil an diesem Modell ist, dass Wettspieler*innen das Verbot umgehen, indem sie Sportwetten bei ausländischen Sportwettanbietern abschliessen (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 114). Weitere Nachteile des Sportwettverbots sind schliesslich darin zu sehen, dass durch dieses Modell keine Arbeitsplätze geschaffen werden und der Gesellschaft keine Erträge aus dem Sportwettgeschäft zugunsten der Sportfinanzierung zufliessen (Trunz, S. 216; Glücksspiel im Internet, S. 114 f.).

bb) Monopolsystem

[29]

Ein Monopol liegt vor, wenn dem Staat das alleinige Recht zukommt, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit (z.B. das Angebot von Sportwetten) unter Ausschluss anderer Personen auszuüben. Dieses Recht kann der Staat durch die Erteilung einer Monopolkonzession einem einzigen Anbieter einräumen. Um die Durchsetzung des Monopols zu gewährleisten, wird der Sportwettmarkt zumeist durch eine Regulierungsbehörde überwacht (Scherrer/Muresan, Rz. 343).

[30]

Da die monopolistischen Wettanbieter an strikte Regelungen bezüglich Gewinnausschüttung gebunden sind, sehen die Befürworter dieses Modells den Vorteil darin, dass bereits die tieferen Gewinnquoten einen wichtigen Beitrag zur Suchtprävention leisten (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 115). Ausserdem lässt sich durch die Monopolisierung verhindern, dass die Anzahl der Wettanbieter kontinuierlich zunimmt oder aggressive Werbemethoden bestehen (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 115). Für die Monopolisierung sprechen laut den Befürwortern auch die bessere Kontrolle über das Sportwettangebot, die Übersichtlichkeit des nationalen Sportwettmarkts und der verhältnismässig geringe administrative Aufwand (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 118; Trunz, S. 217 m.w.H.).

[31]

Allerding stellt sich auch bei diesem Modell die Frage der Verhältnismässigkeit. Insbesondere ist fraglich, ob die Spielsuchtgefahr und die Gefahr von Spiel- und Wettspielmanipulationen nicht mit weniger einschneidenden Methoden als der Monopolisierung des Sportwettmarkts reduziert werden kann (vgl. Jessberger, S. 234; Trunz, S. 218). Weiter besteht auch in diesem Modell die Gefahr, dass Wettspieler*innen das restriktive System umgehen, indem sie ihre Sportwetten bei ausländischen Wettanbietern (trotz Sperrung der jeweiligen Internetseiten) zu bedeutend attraktiveren Quoten platzieren, die unter Umständen gar keine suchtpräventiven Massnahmen wie z.B. eine Einsatzlimite vorsehen (Trunz, S. 219).

cc) Konzessionssystem

[32]

Die Staaten können die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, die grundsätzlich dem Gemeinwesen vorbehalten sind, privaten Rechtssubjekten mittels Konzession übertragen (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 75). Eine Konzession wird nur dann erteilt, wenn bestimmte Voraussetzungen – bei Sportwettanbietern sind dies z.B. Vorschriften bezüglich Suchtprävention – erfüllt sind (Scherrer/Muresan, Rz. 344; Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 75). Während beim vollumfänglich liberalisierten Markt eine unbegrenzte Anzahl an Konzessionen vergeben werden kann, ist die Anzahl von Lizenzen bei einem teilliberalisierten Markt limitiert (Scherrer/Muresan, Rz. 344).

[33]

Die Kritiker des Konzessionsmodells sehen die grösste Gefahr des Systems darin, dass die Anzahl der Sportwettanbieter und dadurch die Suchterscheinungen unkontrolliert zunehmen würden (vgl. Mintas, S. 109). Als weitere Nachteile werden die Gefahr von aggressiven Werbemethoden zwischen den Wettanbietern und der hohe administrative Aufwand genannt (Schlussbericht Glücksspiel im Internet, S. 118 f.). Befürworter sehen im Wettbewerb der Wettanbieter den grössten Vorteil des Konzessionsmodells. Der Wettbewerb führt zu tieferen Preisen und attraktiveren Wettangeboten, wodurch die nationalen Wettanbieter im Vergleich zu den unregulierten Anbietern im Ausland konkurrenzfähig sind (Jessberger, S. 235; Trunz, S. 220; vgl. Werner/Kainz, S. 158). Dies führt schliesslich zu höheren Einnahmen des Staates, die wiederum der Sportfinanzierung zu Gute kommen. Ausserdem kann der Staat laut den Befürwortern im Rahmen eines Konzessionssystems geeignete Massnahmen zur Suchtprävention implementieren und umsetzen (Trunz, S. 220 f. m.w.H.).

b. Die Regulierung des Sportwettmarkts in der Schweiz
[34]

Die Sportwetten sind in der Schweiz im Bundesgesetz über Geldspiele (BGS) geregelt. In der Schweiz können Sportwetten ausschliesslich von den beiden von den Kantonen getragenen Unternehmen Swisslos, welches in den Deutschschweizer Kantonen, dem Tessin und dem Fürstentum Liechtenstein tätig ist, und Loterie Romande, die in den Westschweizer Kantonen agiert, angeboten werden (Brägger, S. 54; Merkblatt Sportwetten, S. 2). Online-Sportwetten sind im Schweizer Monopolsystem ebenfalls nur von diesen beiden Anbietern erlaubt. Ausländische Angebote werden nach Art. 86 BGS gesperrt (siehe die Übersicht der gesperrten Wettanbieter). Erlaubt sind in der Schweiz nicht nur Sportwetten auf das Endresultat, sondern auch sog. Livewetten, bei denen auf bestimmte Ereignisse während eines laufenden sportlichen Wettkampfs – wie z.B. auf den nächsten Torschützen im Eishockey oder auf den Sieger des nächsten Ballwechsels im Tennis – gewettet werden kann (Trunz, S. 24).

[35]

Zur Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen sieht Art. 64 BGS eine umfassende Meldepflicht bei einem Verdacht auf Unregelmässigkeiten an die schweizerische Geldspielaufsichtsbehörde (GESPA) vor, die sowohl gegenüber den beiden Wettanbietern als auch gegenüber den Verbänden und Vereinen, die Sportwettkämpfe organisieren, gilt (Brägger, S. 54). Ausserdem verpflichtet Art. 64 Abs. 3 BGS die Wettanbieter und die Organisatoren von den betroffenen Sportwettkämpfen zur Herausgabe von Informationen gegenüber der GESPA, welche nach Art. 25b Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung von Sport und Bewegung (SpoFöG) wiederum verpflichtet ist, die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu informieren und sämtliche Unterlagen weiterzuleiten. Ausserdem besteht nach Art. 65 BGS eine generelle Kooperationspflicht bei der Aufklärung von Spiel- und Wettspielmanipulationen zwischen den Sportwettanbietern, den Sportorganisatoren und der GESPA.

[36]

Zum Schutz vor exzessivem Geldspiel verpflichtet Art. 25 Abs. 1 lit. b BGS die Sportwettanbieter, angemessene Massnahmen zur Prävention von Spielsucht zu erlassen. Dabei besteht für die Sportwettanbieter nach Art. 80 BGS die Möglichkeit, Spielsperren gegenüber Personen auszusprechen, von denen sie annehmen müssen, dass sie überschuldet sind oder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen oder die Spieleinsätze tätigen, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen und Vermögen stehen. Ausserdem sind in der Schweiz Wetten auf Sportwettkämpfe, an denen mehrheitlich Minderjährige teilnehmen, verboten (Art. 25 Abs. 2 BGS). Schliesslich ist es den Sportwettanbietern in der Schweiz verboten, sich an Sportverbänden zu beteiligen oder diese mit Sponsorengeldern zu unterstützen, die Sportwettkämpfe organisieren, auf welche sie Sportwetten anbieten (Art. 63 BGS).

2. Strafrechtliche Ansätze

[37]

Neben der Sportwettmarktregulierung kann auch das Strafrecht einen Beitrag im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen leisten.

a. Die verschiedenen Ansätze im Überblick
[38]

Die verschiedenen nationalen Strafrechtsordnungen lassen sich bezüglich der Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen grundsätzlich in zwei Gruppen einteilen. Während die erste Gruppe für die Bestrafung von Spiel- und Wettspielmanipulationen auf die allgemeinen Straftatbestände zurückgreift, hat die andere Gruppe von Staaten einen spezifischen Sportbetrugstatbestand eingeführt (Trunz, S. 230; vgl. Steiner, S. 47; Mravec, S. 42). Das Problem der Staaten, welche die allgemeinen Straftatbestände, insbesondere den Betrugstatbestand, anwenden, besteht vor allem in der Bezifferung des Vermögensschadens der Wettanbieter infolge der Manipulation eines sportlichen Wettkampfs, da die Auswirkung einer Manipulation auf das Wettgeschäft in der Praxis kaum eruiert werden kann (Trunz, S. 294). Aus diesem Grund haben verschiedene Staaten, darunter auch die Schweiz, in den vergangenen Jahren spezifische Straftatbestände zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen erlassen.

b. Die strafrechtliche Rechtslage in der Schweiz
[39]

Am 1. Januar 2019 führte die Schweiz mit Art. 25a SpoFöG einen spezifischen Straftatbestand bezüglich Wettspielmanipulationen ein. Das schützenswerte Rechtsgut dieser Straftatbestände ist nicht das vermögensrechtliche Interesse der Sport- und Wettveranstalter, sondern die Integrität des Sports an sich (Erläuternder Bericht zum BGS, S. 104). Aus diesem Grund muss für die Erfüllung der Straftatbestände kein Vermögensschaden nachgewiesen werden (Trunz, S. 256).

[40]

Unter dem Begriff «Person, die an einem Sportwettkampf eine Funktion ausübt» nach Art. 25a Abs. 1 SpoFöG sind alle Personen zu subsumieren, die am Spielgeschehen beteiligt sind, insbesondere also die Sportler*innen, Trainer*innen, Schiedsrichter*innen, Wertungsrichter*innen, Linienrichter*innen sowie Kampfrichter*innen (Hessert, S. 269; Trunz, S. 256 f.). Neben der Eigenschaft als Funktionsträger*in setzt Art. 25a SpoFöG weiter voraus, dass eine Sportwette auf den jeweiligen Sportwettkampf angeboten wird. Um zu verhindern, dass die Manipulation von Sportveranstaltungen, auf welche nur im Ausland gewettet werden kann, straffrei bleibt, darf es nicht entscheidend sein, ob die Sportwette von einem Schweizer oder von einem ausländischen Wettanbieter angeboten wird (so auch Hessert, S. 271 f.). Der Tatbestand der indirekten Wettkampfmanipulation nach Art. 25a Abs. 1 SpoFöG ist bereits erfüllt, wenn der/die Täter*in einseitig an einen/eine Funktionsträger*in der Sportveranstaltung unter Bekundung der Manipulationsabsicht zugunsten eines nichtgebührenden Vorteils herantritt (Hessert, S. 272 m.w.H.). Eine konkrete Vereinbarung zur Manipulation zwischen dem Täter und dem/der Funktionsträger*in ist folglich nicht notwendig. Ausserdem ist unerheblich, ob der nicht gebührende Vorteil eintritt oder ob das unterbreitete Angebot angenommen wird bzw. ob die Manipulation erfolgreich war (Erläuternder Bericht zum BGS, S. 105; Trunz, S. 257; Hessert, S. 273). Als Gegenleistung des Empfängers verlangt die Norm eine Verfälschung des Ablaufs des Sportwettkampfs. Es genügt die Beeinflussung eines bestimmten Spielaspekts, d.h. es muss nicht zwingend einen Einfluss auf das Endresultat haben, wie z.B. ein Doppelfehler im Tennis (Hessert, S. 273; Trunz, S. 257).

[41]

Mit Art. 25a Abs. 2 SpoFöG wird die direkte Wettkampfmanipulation unter Strafe gestellt. Danach wird der/die Funktionsträger*in für das Fordern, Versprechen lassen oder Annehmen eines nicht gebührenden Vorteils bestraft.

[42]

Die Analyse von Art. 25a SpoFöG zeigt, dass in der Schweiz nur die aussersportliche Wettspielmanipulation bestraft wird. Die sportintern motivierte Spielmanipulation fällt nicht unter Art. 25a SpoFöG, da das Tatbestandsmerkmal der Sportwette nicht vom Vorsatz erfasst ist (Hessert, S. 275; Trunz, S. 256). Auch die allgemeinen Straftatbestände wie Betrug (Art. 146 StGB), Bestechung Privater (Art. 322octies StGB) oder Sich-bestechen-lassen (Art. 322novies StGB) sind kaum auf Fälle von sportintern motivierten Spielmanipulationen anwendbar (siehe Trunz, S. 232 ff.; Hessert, S. 275 f.). Möchte die Schweiz den fairen Ablauf der sportlichen Wettkämpfe schützen, müssten die Straftatbestände von Art. 25a SpoFöG im gleichen Mass für alle Sportanlässe gelten, unabhängig davon, ob darauf gewettet werden kann oder nicht (Trunz, S. 256; Hessert, S. 277 f.).

3. Grenzen der nationalstaatlichen Möglichkeiten

[43]

Obwohl den Staaten bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen aufgrund des Gewaltmonopols verschiedene polizeiliche Instrumente zur Verfügung stehen, sind den Staaten Grenzen gesetzt. Sowohl die Regulierung des Sportwettmarkts als auch die strafrechtliche Verfolgung von Spiel- und Wettspielmanipulationen ist aufgrund des Territorialitätsprinzips auf das eigene Territorium begrenzt (Trunz, S. 309; Mravec, S. 38), was die Staaten insbesondere bei Wettspielmanipulationen, die durch Personen aus verschiedenen Ländern begangen werden, vor Probleme stellt. Bei der strafrechtlichen Verfolgung sind die Behörden oftmals auf internationale Rechtshilfe angewiesen, was eine gegenseitige Strafbarkeit von Wettspielmanipulationen voraussetzt (Trunz, S. 311 f.; Erläuternder Bericht zum BGS, S. 106).

[44]

Des Weiteren sehen sich nicht nur die Sportverbände, sondern auch die Staaten mit erheblichen Beweisschwierigkeiten konfrontiert (Match-fixing in sport, S. 47). Dies liegt einerseits an der schwer fassbaren Tätigkeit von gut strukturierten kriminellen Organisationen auf dem Sportwettmarkt sowie an der Internationalität der Fälle. Andererseits aber liegt dies auch an der Tatsache, dass die Aufdeckung der Spiel- und Wettspielmanipulationen immense finanzielle Ressourcen erfordert, die nicht alle Staaten zu bezahlen bereit sind (vgl. Match-fixing in sport, S. 47; Trunz, S. 313).

C. Überstaatliche Lösungsansätze gegen Spiel- und Wettspielmanipulation: Magglinger Konvention

[45]

Die unterschiedlichen Rechtslagen der Staaten bei der Regulierung des Sportwettmarkts und der strafrechtlichen Möglichkeiten erschweren eine effektive Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen im Sport (Trunz, S. 314; Mravec, S. 43). Aufgrund der Internationalität des Problems ist ein einzelner Staat alleine – trotz lückenfreier nationaler Normen bezüglich der Regulierung des Sportwettmarkts sowie bezüglich der strafrechtlichen Verfolgung von Spiel- und Wettspielmanipulationen – nicht in der Lage, solche Fälle zu verhindern oder aufzudecken (Entschliessungsantrag Europäisches Parlament, lit. E; Trunz, S. 314 f.; Mravec, S. 38, 43).

[46]

Der Europarat ist jene internationale Organisation, welche sich im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen im vergangenen Jahrzehnt am aktivsten zeigte. Als Meilenstein seiner Arbeit wurde an der Sportministerkonferenz des Europarats im September 2014 die Convention on the Manipulation of Sports Competitions (sog. Magglinger Konvention) zur Unterzeichnung aufgelegt (Pressemitteilung BASPO vom 18. September 2014; Muresan, S. 3). Am 1. September 2019 trat die Konvention in Kraft. Mittlerweile haben 41 Staaten die Konvention unterzeichnet, acht davon haben sie ratifiziert (Stand: Mai 2023).

1. Inhalt der Konvention

[47]

Nach Art. 1 Ziff. 1 bezweckt die Konvention, die Integrität des Sports unter Wahrung der Autonomie der Sportverbände zu schützen. Die konkreten Ziele sind in Ziff. 2 wie folgt aufgelistet:

a. die nationale und die grenzüberschreitende Manipulation nationaler und internationaler Sportwettbewerbe zu verhindern, aufzudecken und mit Sanktionen zu belegen;
b. die gegen die Manipulation von Sportwettbewerben gerichtete nationale und internationale Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Behörden sowie mit den im Bereich des Sport und der Sportwetten tätigen Organisationen zu fördern.
[48]

Um diese Ziele zu erreichen, sieht die Konvention verschiedene Massnahmen im Bereich der Prävention, der Strafverfolgung, der internationalen Zusammenarbeit sowie des Informationsaustauschs vor (Explanatory Report, Rz. 18; Trunz, S. 318). Zum ersten Mal wurde in Art. 3 Ziff. 4 der Konvention eine einheitliche Definition der «Manipulation von Sportwettbewerben» geschaffen. Darunter fällt jede «vorsätzliche Abmachung, Handlung oder Unterlassung, die auf eine unlautere Veränderung des Ergebnisses oder des Verlaufs eines Sportwettbewerbs abzielt, um die Unvorhersehbarkeit des genannten Sportwettbewerbs ganz oder teilweise in der Absicht aufzuheben, einen ungerechtfertigten Vorteil für sich selbst oder für andere zu erlangen». Da die Definition lediglich «einen ungerechtfertigten Vorteil» und nicht explizit einen Gewinn auf dem Sportwettmarkt verlangt, sind darunter sowohl die aussersportlichen Wettspielmanipulationen als auch die sportintern motivierten Spielmanipulationen zu subsumieren (Explanatory Report, Rz. 35; Trunz, S. 318; Muresan, S. 6). Nach Art. 4 der Konvention haben die unterzeichnenden Staaten die Strategien der Behörden, die sich mit der Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen befassen, aufeinander abzustimmen und die Sportverbände, Sportveranstalter und Sportwettanbieter zur Kooperation anzuhalten. Ausserdem sind die Vertragsparteien nach Art. 5 der Konvention verpflichtet, in Zusammenarbeit mit den Sportverbänden und den Wettanbietern die Risiken der Spiel- und Wettspielmanipulationen zu bestimmen, zu analysieren und zu bewerten. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, die Sensibilisierung, Bildung, Schulung und Forschung im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen zu fördern (Art. 6). Die Vertragsparteien haben nach Art. 7 Abs. 1 ausserdem dafür zu sorgen, dass die Sportverbände Interessenkonflikte vermeiden – insbesondere durch den Erlass eines Wettverbots für die teilnehmenden Personen sowie durch ein Verbot der missbräuchlichen Verwendung von Insiderinformationen. Ausserdem müssen sie sämtliche Teilnehmer an sportlichen Wettkämpfen verpflichten, alle verdächtigen Vorfälle unverzüglich zu melden (Art. 7 Abs. 2 lit. b). Die Vertragsstaaten haben ausserdem nach Art. 7 Abs. 3 der Konvention dafür zu sorgen, dass die Sportverbände bei einem Verstoss gegen die Normen zur Bekämpfung von Spiel- und Wettspielmanipulationen konkrete, wirkungsvolle, verhältnismässige und abschreckende Disziplinarsanktionen verhängen.

[49]

Die Konvention sieht nicht nur Massnahmen gegenüber den Sportverbänden vor, sondern auch bezüglich der Regulierung des Sportwettmarkts. Nach Art. 9 der Konvention haben die unterzeichnenden Staaten eine oder mehrere zuständige Behörden zu benennen, die mit der Regulierung des Sportwettmarkts betraut sind. Ausserdem enthält die Norm eine nicht abschliessende Liste von Massnahmen, welche die Wettaufsichtsbehörden zur Bekämpfung der Spiel- und Wettspielmanipulationen gegebenenfalls ergreifen könnten (z.B. das Verbot von Sportwetten auf bestimmte Veranstaltungen oder den Rückzug von Sportwetten bei Manipulationsverdacht). Nach Art. 10 der Konvention haben die Vertragsstaaten gegebenenfalls Massnahmen zu ergreifen, welche Interessenskonflikte sowie den Missbrauch von Insiderinformationen durch Personen, die am Angebot von Sportwetten beteiligt sind, verhindern (z.B. durch ein Verbot von Wetten auf eigene Produkte). Ausserdem haben alle unterzeichnenden Staaten nach Art. 11 der Konvention mit den zweckmässigsten Mitteln gegen illegale Wettangebote vorzugehen. Als Möglichkeit nennt die Konvention explizit die Sperrung der jeweiligen Internetseiten, die Blockierung der Geldflüsse zwischen illegalen Wettanbietern und ihren Kunden sowie die Sensibilisierung der Wettspieler*innen.

[50]

Art. 12 der Konvention fordert die unterzeichnenden Staaten auf, den nationalen und internationalen Informationsaustausch zwischen den Behörden, den Sportverbänden, den Sportveranstaltern und den Sportwettanbietern durch nationale Rechtsnormen zu erleichtern. Zudem verpflichtet Art. 13 der Konvention die Vertragsstaaten, eine nationale Plattform ins Leben zu rufen, die einerseits die Informationen aller Protagonisten sammelt, speichert und weitergibt und andererseits als Koordinationsstelle im Kampf gegen Spiel- und Wettspielmanipulationen agiert.

[51]

Art. 15 der Konvention verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, Fälle von Spiel- und Wettspielmanipulationen strafrechtlich zu verfolgen: «Jede Vertragspartei stellt sicher, dass in ihren internen Rechtsvorschriften die Möglichkeit strafrechtlicher Sanktionen für die Manipulation von Sportwettbewerben vorgesehen ist, wenn diese mit Nötigung, Korruption oder mit Betrug im Sinne ihres internen Rechts einhergeht.» Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, ob sie die Fälle von Spiel- und Wettspielmanipulation unter die bereits existierenden Tatbestände von Nötigung, Korruption oder Betrug subsumieren oder einen spezifischen Straftatbestand erlassen möchten (Explanatory Report, Rz. 130). Art. 17 der Konvention stellt ausserdem klar, dass auch die Beihilfe und Anstiftung zu einer Spiel- bzw. Wettspielmanipulation strafrechtlich verfolgt werden sollte. Auch das Waschen von Erträgen aus Wettspielmanipulationen soll nach Art. 16 strafrechtlich verfolgt werden.

2. Würdigung

[52]

Die Magglinger Konvention ist das erste bedeutende internationale Übereinkommen, das sich mit der Problematik der Spiel- und Wettspielmanipulationen auseinandersetzt (Mravec, S. 43). Um möglichst viele Staaten zur Unterzeichnung zu bewegen, wird ihnen bei der Umsetzung ein breiter Spielraum zugestanden (Mravec, S. 43). Da im Bereich der Regulierung des Sportwettmarkts sowie bei der strafrechtlichen Verfolgung von Spiel- und Wettspielmanipulationen unterschiedliche staatliche Ansätze verfolgt werden, hat man auf konkrete Vorschriften verzichtet (Trunz, S. 327; Mravec, S. 43). Allerdings wäre ein gewisses Mass an Harmonisierung in bestimmten Bereichen wünschenswert gewesen (Mravec, S. 43). Dies gilt insbesondere für den strafrechtlichen Teil. Die Vertragsstaaten werden zwar verpflichtet, Spielmanipulationen zu bestrafen, allerdings geniessen sie einen grossen Umsetzungsspielraum (Muresan, S. 17). Dies wird zwangsläufig zu Problemen bei der internationalen Rechtshilfe (wie z.B. bei Auslieferungen) führen, die eine beidseitige Strafbarkeit voraussetzt (Muresan, S. 17; Trunz, S. 326 ff.). Demgegenüber positiv ist insbesondere die Signalwirkung der Magglinger Konvention zu werten, wonach das Problem rund um Spiel- und Wettspielmanipulationen nicht länger unterschätzt werden darf (Serby, S. 98 f.; Trunz, S. 331).