Von der Fachhochschule zur eigenen Kanzlei: Die inspirierende Geschichte von Rechtsanwalt Simon Brun

Der Strafverteidiger erzählt, wie er via Fachhochschule zum Rechtsanwalt wurde, wie es zur Gründung seiner eigenen Anwaltskanzlei kam und wie sich sein Alltag als Strafverteidiger gestaltet.


Themen: Rechtsanwalt, Strafverteidiger, Fachhochschule, Ausbildungsweg, Kanzleigründung, Dozent, ZHAW, Universität Luzern, Brun & Forrer.
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Lesezeit: 4 Minuten.

 

Guten Tag Herr Brun, wir freuen uns, mehr über Ihren einzigartigen Karriereweg zu erfahren. Sie haben eine Lehre als Mediamatiker abgeschlossen, waren der erste Absolvent des Studiengangs Wirtschaftsrecht an der ZHAW, welcher das Anwaltspatent erwarb und sind heute als selbständiger Strafverteidiger in Ihrer Kanzlei Brun & Forrer sowie als Dozent für Strafrecht an der ZHAW tätig. Können Sie uns bitte mehr über Ihren Bildungsweg erzählen und insbesondere erläutern, wie es möglich ist, über die Fachhochschule das Anwaltspatent zu erwerben?

 

Nach der Lehre arbeitete ich zwei Jahre als Informatiker, bevor ich mich für den damals neuen Bachelorstudiengang Wirtschaftsrecht an der  ZHAW  einschrieb. Diesen habe ich nach drei jährigem Vollzeitstudium im Jahr 2006 abgeschlossen. Anschliessend absolvierte ich den Master in Rechtswissenschaften an der  Universität Luzern . Die Universität Luzern war damals eine der wenigen Universitäten, die bereits auf das Bologna-System (Bachelor/Master) umgestellt hatte und daher in der Lage war, ZHAW-Absolventen aufzunehmen. An der Universität Luzern konnte ich direkt ins Masterstudium einsteigen, musste aber bis zu dessen Abschluss noch gewisse vordefinierte Prüfungen aus dem Bachelorstudium ablegen.

 

Anmerkung der Redaktion: ZHAW Wirtschaftsrecht Absolventen müssen heute die sog. «Passerelle-Prüfungen» im Umfang von 60 ETCS ablegen, um das Masterstudium an der Universität Luzern abschliessen zu können.

 

Nach meinem Masterabschluss im Jahr 2009 absolvierte ich das Anwaltspraktikum bei einer grossen Wirtschaftskanzlei in Zürich. 2011 habe ich dann die Anwaltsprüfung im Kanton Zürich abgelegt. Das alles war damals Neuland – für die Studierenden, die Universitäten und auch für die Anwaltskanzleien. Seither schlagen diesen Weg erfreulicherweise jedes Jahr zahlreiche ZHAW-Absolventinnen und -Absolventen ein. Mittlerweile gibt es viele Anwältinnen und Anwälte mit diesem Bildungsweg.

Besonders empfehlenswert ist die Fachhochschule auch für Studierende, die neben dem Studium in einem hohen Pensum berufstätig sein wollen. - Simon Brun

Wem würden Sie den Weg via Fachhochschule empfehlen?

 


Den Weg über die Fachhochschule kann ich in erster Linie Personen empfehlen, die eine Berufslehre mit Berufsmaturität abgeschlossen haben. Besonders empfehlenswert ist die Fachhochschule auch für Studierende, die neben dem Studium in einem hohen Pensum berufstätig sein wollen. Die ZHAW bietet die Studiengänge Wirtschaftsrecht und Angewandtes Recht auch als Teilzeitstudium an. Von dieser Möglichkeit wird rege Gebrauch gemacht. Soweit ich weiss, studiert mittlerweile ca. die Hälfte der Studierenden berufsbegleitend.

 

Schliesslich kann ich den Bachelor in Wirtschaftsrecht auch Studierenden empfehlen, die noch nicht sicher sind, ob sie einen Master und/oder das Anwaltspatent erwerben wollen. Rund die Hälfte der Absolventinnen macht keinen Master, sondern steigt mit dem Bachelor direkt ins Berufsleben ein.

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Studierende an Schweizer Universitäten und Hochschulen wie der ZHAW können von der Campuslizenz profitieren, die einen umfassenden Zugang zu verschiedenen Weblaw-Inhalten für das Studium ermöglicht.

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Könnten Sie die Vor- und Nachteile beleuchten, die der Weg zum Anwalt über die Fachhochschule im Vergleich zum traditionellen Universitätsweg mit sich bringt?

 


Aufgrund meines Werdegangs kenne ich nur eine Seite vollständig und kann das deshalb nicht abschliessend beurteilen. Der Weg zum Anwalt über die Fachhochschule führt schlussendlich auch über die Universität. Die Studierenden müssen sich deshalb sowohl in einem praxisorientierten und interdisziplinären Studium an der Fachhochschule als auch in einem traditionellen Studium der Rechtswissenschaften an der Universität beweisen. Zudem bringen ZHAW-Absolventinnen bereits mehrjährige Berufserfahrung mit und sind – sofern sie sich für ein Teilzeitstudium entscheiden – auch während des gesamten Bachelorstudiums berufstätig.

 

Die Absolventinnen und Absolventen sind somit für den Berufseinstieg bestens gerüstet. Allerdings dauert der Weg über die Fachhochschule in der Regel mindestens ein bis zwei Jahre länger als ein traditionelles Universitätsstudium. Hinzu kommt, dass vor allem Teilzeitstudierende kaum in den Genuss des klassischen Studentenlebens kommen, welches mir persönlich noch in bester Erinnerung ist.

Den Schritt in die Selbständigkeit habe ich nie bereut – im Gegenteil. Ich empfehle auch regelmässig jungen Anwältinnen und Anwälten, die mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, diesen Schritt zu wagen. - Simon Brun

Nach etwas mehr als zwei Jahren als angestellter Anwalt in einer Wirtschaftskanzlei gründeten Sie im Jahr 2014 Ihre eigene Kanzlei,  Brun & Forrer . Was war der Grund für diesen Entscheid und was raten Sie jungen Anwältinnen und Anwälten, die sich auch vorstellen könnten, sich selbständig zu machen?

 


An der Anwaltstätigkeit hat mich schon immer die Selbständigkeit gereizt. Ich wollte möglichst frei und unabhängig sein und etwas Eigenes aufbauen. Ausserdem wollte ich mich auf das Strafrecht spezialisieren, das mich seit dem Studium fasziniert. Den Schritt in die Selbständigkeit habe ich nie bereut – im Gegenteil. Ich empfehle auch regelmässig jungen Anwältinnen und Anwälten, die mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, diesen Schritt zu wagen. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass viele Kollegen in dieser Hinsicht sehr risikoavers denken.

 

Die Risiken, die mit dem Schritt in die Selbständigkeit verbunden sind, halte ich persönlich jedoch für eher gering: Es sind kaum Investitionen notwendig, es gibt meines Erachtens noch genügend Nischen im Anwaltsmarkt und nach ein bis zwei Jahren Selbständigkeit kann man abschätzen, ob das Unterfangen erfolgreich ist oder wird. Wenn nicht, findet man wieder eine Anstellung als Anwältin in einer Kanzlei oder einem Rechtsdienst. Ich kenne kaum andere «Startups» mit so niedrigen Einstiegshürden und so hohen Erfolgschancen.

 

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Strafverteidiger und Partner bei Brun & Forrer aus?

 

Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. In der Regel jongliere ich etwa zwei Dutzend verschiedene Fälle pro Monat. Ich bin viel unterwegs, nehme an Einvernahmen bei Polizei und Staatsanwaltschaft teil, besuche Mandanten im Gefängnis und vertrete sie vor Gericht. Wenn ich im Büro bin, führe ich Besprechungen mit Klienten und anderen Anwälten, verhandle mit Staatsanwälten und Gegenanwälten, studiere Akten, arbeite an Rechtschriften und Plädoyers etc.

 

Das Schöne und zugleich Herausfordernde an meiner Arbeit ist für mich das Unvorhersehbare. Wenn zum Beispiel morgens das Telefon klingelt, weil gerade eine Hausdurchsuchung stattfindet oder ein Mandant verhaftet wurde, muss ich normalerweise alles stehen und liegen lassen und mich auf den Weg machen. Wer das nicht mag, sollte besser nicht als Strafverteidiger arbeiten.

Meine Aufgabe als Strafverteidiger ist es aber nicht, zu urteilen. Meine Aufgabe ist es, den Mandanten beizustehen und ihre Interessen zu vertreten – unabhängig davon, ob und was sie getan haben. - Simon Brun

Als Strafverteidiger stehen Sie oft auf der Seite derer, die des Verbrechens angeklagt sind. Fühlen Sie sich manchmal moralisch herausgefordert, solche Personen zu verteidigen und wie gehen Sie damit um?

 

Die Frage impliziert, dass eine Person, die einer Straftat beschuldigt wird, tatsächlich eine Straftat begangen hat. Eine Anklage bedeutet aber noch lange nicht, dass der Angeklagte auch schuldig ist, sondern nur, dass ein Gericht über diese Frage zu entscheiden hat. Meine Aufgabe als Strafverteidiger ist es aber nicht, zu urteilen. Meine Aufgabe ist es, den Mandanten beizustehen und ihre Interessen zu vertreten – unabhängig davon, ob und was sie getan haben. Der deutsche Strafverteidiger Gerhard Strate hat für mich das Wesen der Strafverteidigung treffend umschrieben: «Die Aufgabe des Strafverteidigers ist es, Vertrauen zu schenken, wo es jeder verweigert; Mitgefühl zu entfalten, wo die Gefühle erstorben sind; Zweifel zu säen, wo sie keiner mehr hat; und Hoffnung zu pflanzen, wo sie längst verflogen war».

 

Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch das Recht auf eine solche Verteidigung hat. Ich habe deshalb überhaupt keine Gewissensbisse, wenn ich – im Rahmen des Erlaubten – alles tue, um für meine Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Strafverfahren eine ganze Existenz zerstören kann und für die Betroffenen in jedem Fall extrem belastend ist. Ich glaube, die meisten Menschen können sich das erst vorstellen, wenn sie es selbst erlebt haben. In diesem Ausnahmezustand für einen Menschen da zu sein und ihn zu unterstützen, das macht für mich die Essenz der Strafverteidigung aus.

 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in Ihren beeindruckenden Karriereweg. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!

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